Russland-Sanktionen

EU legt Entwurf für Ölembargo vor

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FRANCE-EU-PARLIAMENT-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICTAPA/AFP/PATRICK HERTZOG
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Die EU will russische Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten und den Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen. Der russisch-orthodoxer Patriarch Kyrill I. soll auf die Sanktionsliste kommen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die neuen Pläne für Wirtschaftssanktionen gegen Russland bestätigt. "Wir schlagen jetzt ein Embargo für russisches Öl vor. Dabei geht es um ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl", sagte sie am Mittwochmorgen im Europaparlament. Man wolle russische Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten und den Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen.

"Auf diese Weise maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeitig Kollateralschäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering", erklärte die deutsche Politikerin. "Denn wenn wir der Ukraine helfen wollen, muss unsere eigene Wirtschaft stark bleiben."

Gleichzeitig räumte von der Leyen ein, dass das geplante Öl-Embargo manchen Ländern große Anstrengungen abverlangen wird. Machen wir uns nichts vor: Das wird nicht einfach", sagte sie. "Einige Mitgliedstaaten hängen erheblich von russischem Öl ab."

Neben dem Öl-Embargo bestätigte von der Leyen Pläne für Strafmaßnahmen gegen weitere russische Banken. Sie sehen ihren Angaben zufolge vor, die Sberbank - die mit Abstand größte russische Bank - und zwei weitere große Banken vom internationalen Finanzkommunikationssystem Swift abzukoppeln. "Dadurch treffen wir Banken, die für das russische Finanzsystem relevant sind, und schränken Putins Fähigkeit zu weiteren Zerstörungen ein", sagte sie. "Hierdurch wird die vollständige Isolierung des russischen Finanzsektors vom globalen System zementiert."

Um russischer Propaganda entgegenzuwirken, sollen zudem drei Staatssendern des Landes die Sendelizenz in der Europäischen Union entzogen werden. Welche Sender betroffen sein sollen, ließ die EU-Kommissionspräsidentin offen.

Patriarch Kyril I. und Kreml-Sprecher Peskow auf Liste

Auch soll es von der Leyen zufolge persönliche Sanktionen gegen Angehörige des russischen Militärs geben, die für die Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung etwa in Butscha verantwortlich seien. Auf der Sanktionsliste steht nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP zudem das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. Die erweiterte Liste umfasst 58 Verantwortliche, darunter auch die Familie von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Schließlich sollen europäische Wirtschaftsprüfer, Berater und sogenannte Spin-Doktoren nicht mehr für russische Unternehmen und den Kreml arbeiten dürfen.

Damit die neuen Sanktionen in Kraft treten können, ist ein einstimmiger Beschluss der EU-Staaten nötig. Die ständigen Vertreter der 27 Mitgliedstaaten wollten sich am Mittwoch in Brüssel erstmals mit den Vorschlägen befassen. Erwartet werden mehrtägige Beratungen.

Ausnahmen für Ungarn und Slowakei

In der Nacht auf Mittwoch hatte die EU-Kommission laut Diplomatenangaben den EU-Staaten bereits den Vorschlag unterbreitet. Demnach soll es betreffend des Öl-Embargos Ausnahmen für Ungarn und die Slowakei geben, die stark von russischem Öl abhängig sind. Sie sollten Importe bis Ende 2023 fortsetzen dürfen.

Ungarn zeigte sich allerdings wenig begeistert über das Öl-Embargo. Es gebe keine Pläne oder Garantien für die vereinbarte Übergangszeit, wie der Übergang hin zu einer Unabhängigkeit von russischen Lieferungen gelingen könne, sagt der Sprecher der ungarischen Regierung am Mittwoch.

EU-Diplomaten zufolge könnte der Kommissionsvorschlag neuen Streit entfachen: Tschechien und Bulgarien dringen ebenfalls auf Ausnahmen und begründen dies mit ihrer stark vom russischem Öl abhängigen Wirtschaft.

Der tschechische Industrie- und Handelsminister Jozef Sikela sagte, das Import-Verbot enthalte keine Mechanismen zur Verteilung der Lasten. Der Vorschlag beinhalte keinen Vorschlag zu gemeinsamen Einkäufen und gemeinsamer Verteilung. "Wir studieren das noch, aber es ist ein Problem für mich", erklärte Sikela zu Reuters am Rande einer Konferenz.

Ungarn und die Slowakei beziehen russisches Öl über den Südstrang der Druschba-Pipeline, der auch Tschechien versorgt. Ungarn importiert nach Regierungsangaben rund 65 Prozent seines Öls aus Russland - das ist mehr als doppelt so viel wie der EU-Schnitt von zuletzt 26 Prozent.

Budapest hatte mit einem Veto gegen ein Öl-Embargo gedroht, wenn dieses die eigene Versorgungssicherheit einschränke. Die Slowakei betont, der Abschied von russischem Öl würde "mehrere Jahre" in Anspruch nehmen. Österreich und Deutschland kündigten an, das Öl-Embargo mittragen zu wollen.

Fünf Milliarden Euro monatlich

Der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, geht davon aus, dass das Öl-Embargo nicht erst in Monaten seine Wirksamkeit entfaltet, sondern teils schon jetzt und weiter binnen Wochen. Denn einige Mitgliedstaaten seien schon jetzt aus dem Bezug russischen Erdöls ausgestiegen, betonte Selmayr am Mittwoch in Wien. Man müsse genau abwägen: Solche Sanktionen müssten gut vorbereitet sein, sie dürfte aber Europa nicht mehr schaden als Russland. Zugleich müssten sie aber so ausgestaltet sein, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Botschaft verstehe, dass er den Krieg in der Ukraine stoppen müsse. "Wir sollten keine Angst haben (vor dem Embargo, Anm.), aber wir sollten gut vorbereitet sein."

Derart "vorbereitet" sieht Österreich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), wie sie bereits am Montag sagte. Demnach ist in Österreich bereits seit März kein russisches Öl mehr verarbeitet worden.

Der Verlauf des russischen Kriegs gegen die Ukraine entscheidet nach den Worten von der Leyens auch über die Zukunft der EU. Die Antwort auf die Frage, wie die EU stärker, krisenfester und bürgernäher werden könne, werde auch in der Ukraine gegeben, so die EU-Kommissionschefin in Straßburg

"Wir wollen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt", sagte von der Leyen weiters. Dies bedinge auch finanzielle Hilfen. So brauche das Land derzeit monatlich fünf Milliarden Euro, um den Staat aufrechterhalten zu können. Für den Wiederaufbau des Landes seien nach Schätzungen mehrere hundert Milliarden Euro erforderlich. Auch hierbei trage die EU eine besondere Verantwortung. Und am Ende dieses Weges könne dann eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union stehen, sagte von der Leyen unter dem Beifall der Abgeordneten. Wie viel Geld das Paket umfassen soll, sagte die EU-Kommissionschefin zunächst nicht.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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