Gastbeitrag

Höchste Zeit für ein wehrhaftes Österreich

(c) Peter Kufner
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Der Landesverteidigungsplan von 1983 zeigt, was möglich ist. Sein Schicksal kommt einer sicherheitspolitischen Todsünde gleich.

DER AUTOR

Mag. Roland Vogel,Brigadier i.R, leitete bis 1991 die Ausbildungsabteilung und den Arbeitsstab Miliz und war Militärattaché in der Slowakei, in Polen, Tschechien und Litauen. Ab 1976 war er an der Ausarbeitung des Landesverteidigungsplans beteiligt. Er ist Träger des Staatspreises für publizistische Leistungen im Interesse der Geistigen Landesverteidigung.

Es ist aus mit dem Frieden in Europa. Die drastische Entwicklung vor unserer Haustür – mit angedrohtem Atomwaffeneinsatz – hat Auswirkungen auf unsere Sicherheit. Spürbar ist das bereits bei der Energieversorgung, ein Medienkrieg ist in vollem Gange. Nicht nur militärisch werden die offenen Baustellen in der Sicherheitsarchitektur sichtbar, die durch Sorglosigkeit über Jahrzehnte hinweg in Österreich entstanden sind. Selbst wenn wir morgen mit der Sanierung beginnen, wird es ein jahrelanger Prozess, um den Menschen jene Sicherheit zu geben, die ab 1976 im Allparteienkonsens schon einmal hergestellt und leichtfertig aufgegeben wurde.

Baustelle 1: Umfassende Landesverteidigung, zu verstehen als Antwort auf ein breites Spektrum an möglichen Bedrohungen und geistige, zivile, wirtschaftliche und militärische Landesverteidigung umfassend. Sie ist seit 1975 als Bekenntnis in unserer Verfassung verankert, in der Realität aber seit geraumer Zeit aus dem politischen Programm und der gesellschaftlichen Wahrnehmung verschwunden. Das Ergebnis wird uns zurzeit deutlich vor Augen geführt.

Baustelle 2:Das geringe Wehrbudget. Wenn man davon ausgeht, dass das Budget der in Geld ausgedrückte politische Wille ist, so sind wir bei einem Budgetanteil für militärische Landesverteidigung von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in der Abstiegszone der europäischen Liga. Das Ergebnis ist erschreckend: Eine ernsthafte Abwehr zu Lande und in der Luft ist aus Mangel bei Flieger- und Drohnenabwehr, bei schweren Waffen und einsatzbereiten Panzern sowie geringer Mannschaftsstärke nicht möglich. Die aus Einsparungsgründen abgehalfterten Eurofighter werden zwar von hervorragenden Piloten geflogen, verfügen aber über keine ursprünglich vorgesehene Einsatzausstattung. Damit ist unsere militärische immerwährende Neutralität – immer wieder als „Schutzschild“ missverstanden – eine hohle Phrase.

Baustelle 3:Der Wehrdienst. Er pendelt seit Bestehen des Bundesheeres zwischen neun und sechs Monaten mit und ohne Truppenübungen bis hin zur Volksbefragung zur Abschaffung der Wehrpflicht. Die aktuelle Regelung: Ein wehrpflichtiger Soldat schließt nach sechs Monaten die Ausbildung ab und verlässt dann die Armee auf Nimmerwiedersehen.

Baustelle 4: Miliz. In der Verfassung steht: „Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung. Es ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten.“ Real gibt es das Milizsystem nur ansatzweise. Die wenigen Einheiten sind weder personell noch materiell vollständig. Zu hinterfragen ist, ob sechs Monate Wehrdienst ohne nachfolgende Übungen der Verfassung entsprechen.

Baustelle 5: Wirtschaftliche Vorsorge. Eine geplante Bevorratung lebenswichtiger Güter ist in den vergangenen Jahren kaum erfolgt. Wir stehen fassungslos vor zuletzt kolportierten 13 Prozent der vorhandenen Speicherkapazitäten bei Gas. Abhängigkeit von lebenswichtigen Gütern und Energieträgern macht erpressbar und schwächt zusätzlich zum militärischen Aspekt die Einhaltung unsere Neutralität.

Es war nicht immer so

Bei all dem muss man sagen: Das war nicht immer so. 1983 (!) hat die Bundesregierung einen Landesverteidigungsplan beschlossen, der für alle Teilbereiche der Umfassenden Landesverteidigung Zielsetzungen und einen Zeitplan für die Umsetzung und den jeweiligen Ausbau vorgegeben hat. Die österreichische Sicherheitspolitik wurde als Summe aller Maßnahmen in den Bereichen Außenpolitik, Erhaltung der inneren Stabilität und einer glaubwürdigen Verteidigungsfähigkeit definiert.

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