Staatsbeteiligungen

Verbund und EVN verlieren nach Nehammer-Aussage Milliarden an Marktwert

Die Presse/Clemens Fabry
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Die börsenotierten Stromversorger haben binnen eines Tages über 5,4 Milliarden Euro an Marktwert verloren. Bei Nehammers Überlegungen zur Gewinnabschöpfung gibt es vor allem rechtliche Bedenken.

Die beiden börsenotierten Stromversorger Verbund und EVN haben binnen eines Tages über 5,4 Milliarden Euro an Marktwert verloren. Grund waren Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), darüber nachzudenken, deren Gewinne abzuschöpfen. Da Verbund und EVN zu rund 80 Prozent in öffentlichem Eigentum stehen, reduzierte sich der Wert der von der öffentlichen Hand gehaltene Anteile beim Verbund um 4,1 Milliarden Euro und bei der EVN um 260 Millionen Euro.

Florian Beckermann, Vorstand des Interessenverbands für Anleger (IVA), sagte am Freitag, es handle sich vorerst nur um Überlegungen. Als "gelernter Österreicher" warte er vorerst mal ab, ob das tatsächlich kommt und ob das rechtlich überhaupt möglich wäre.

Rechtliche Bedenken

Die Professorin und Vorständin des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien, Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, bezweifelte am Donnerstagabend in den ORF-Hauptnachrichten, dass eine Gewinnabschöpfung rechtlich hält - sofern sie nur teilstaatliche Unternehmen betrifft. "Wenn man nur die teilstaatlichen Energieversorger erfassen würde, dann würde das natürlich eine Ungleichbehandlung bedeuten und den Grund dafür sehe ich nicht und daher wäre das auch verfassungsrechtlich nicht unproblematisch." Eine allgemeine Sondersteuer hingegen wäre zulässig, sagte sie auch im "Standard".

Beckermann erinnerte den Kanzler an die Aktionärsstruktur der beiden Unternehmen. Sowohl bei EVN als auch beim Verbund halte die öffentliche Hand 80 Prozent, dadurch könnten ohnehin 80 Prozent der Gewinne abgeschöpft werden. Für den Kapitalmarkt sei die Aussage dennoch "Gift" gewesen, weil es Vertrauen zerstört habe. Es baue niemand ein Windrad, wenn er sich nicht darauf verlassen könne, die Gewinne behalten zu dürfen.

Diesen Punkt spricht auch Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft an. Wenn rückwirkend in den Markt eingegriffen wird, verschlechtere dies die Rahmenbedingungen für die Energiewende. Österreich habe bisher als relativ sicher gegolten, was die Investitionssicherheit betrifft. Wäre dies künftig nicht mehr der Fall, würde sich das negativ auf die Finanzierung von Windparks auswirken.

"Interessant", so Jaksch-Fliegenschnee, sei auch, dass sich Nehammer in seiner Aussage nur auf Unternehmen bezogen habe, die die Energiewende und Energieunabhängigkeit vorantreiben und nicht auf Öl- und Gasfirmen, die ebenfalls durch den Ukraine-Krieg hohe Gewinne verzeichneten. Nehammer habe damit indirekt den Erneuerbaren-Ausbau ins Visier genommen.

Freude bei der Arbeiterkammer

Freude über Nehammers Überlegungen herrschte bei der Arbeiterkammer. Tirols Kammer-Präsident Erwin Zangerl sieht sich in seinen Forderungen bestätigt und spricht von sinnloser Abzocke: "Solange sich der Strompreis an der teuersten Form Strom zu gewinnen orientiert, nämlich an der Stromgewinnung aus Gas, solange läuft in diesem Land grundsätzlich etwas schief", so Zangerl.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht in Nehammers Überlegungen "nur Zeitschinderei". Die Regierung brauche kein neues Gesetz. "Anstatt sich am Leid der Bürger zu bereichern, könnten die Regierung und alle Landesregierungen die Dividendengewinne aus allen Unternehmen mit Staats- bzw. Landesbeteiligungen zur Unterstützung der Menschen gegen den Wohlstandsverlust einsetzen", so Kickl. "Mit seiner Inkompetenz habe Nehammer lediglich Staatseigentum beschädigt, sagte der Chef der Freiheitlichen mit Blick auf den Absturz der Verbund-Aktie.

(APA)

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