Liberal Arts

Auf Probleme in der heutigen Welt reagieren

Universalgenies wie Leonardo da Vinci gehen vielleicht keine hervor – Generalisten sind Liberal-Arts-Absolventen allemal.
Universalgenies wie Leonardo da Vinci gehen vielleicht keine hervor – Generalisten sind Liberal-Arts-Absolventen allemal.Getty Images/iStockphoto
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Von allem ein bisschen was: In den USA bereits etabliert, ist der interdisziplinäre Studiengang „Liberal Arts“ in Europa noch weitgehend unbekannt. Trotzdem scheint er auf reges Interesse zu stoßen.

Versierte Generalisten“ will das University College Freiburg ausbilden, wie es auf der Website der Universität heißt. Diese bietet das Bachelor-Studium Liberal Arts (LAS) als einzige deutsche Hochschule an, in Österreich gibt es ein solches Studium noch nicht. Als Disziplin gehen Liberal Arts auf griechische Gesellschaften der Antike zurück, sagt Scott Midson, Dozent des 2021 etablierten gleichnamigen Studiums an der University of Manchester. Damals sei es erforderlich gewesen, mit den wichtigsten sozialen Fragen vertraut zu sein, um sich an der Polis und den demokratischen Prozessen beteiligen zu können.

Liberal Arts als Ausbildungsform, ein Ergebnis der großen humanistischen Bildungsidee Europas, schwappte in der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Vereinigten Staaten, wo sie als eigenes Studium an Hunderten Bildungseinrichtungen (von Harvard bis zu Community Colleges) angeboten wird. Erst seit wenigen Jahrzehnten fand sie über die Niederlande ihren Weg zurück nach Europa.

Mittlerweile gibt es in Europa 55 Bachelorstudien in LAS. Am Leiden University College The Hague wird Liberal Arts am Standort Den Haag angeboten. Die Direktorin, Judi Mesman, sagt ebenfalls, das Studium ziele darauf ab, Studierende zu Generalisten auszubilden. Sie sollen lernen, mit den Themen Komplexität, Vielfalt und Wandel umgehen zu können, indem sie ein „breites Wissen über die Welt“ vermittelt bekommen – damit meint sie Inhalte aus Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft. Auch Midson sagt, das Studium habe zum Ziel, Studierende darauf vorzubereiten, Problemen in der heutigen Welt zu begegnen.

Frei(er)e Wahl

Das University College Freiburg bietet Liberal Arts seit 2012 an. Mit der Etablierung des Studiengangs reagierte man auf eine „Überspezialisierung von Studiengängen“, meint Geschäftsführer Paul Sterzel. Das Problem sei durch den Bologna-Prozess verschärft worden. Um wegzukommen von „verschachteltem Denken“, habe man das Studium konzipiert, das sich durch Interdisziplinarität, große Wahlfreiheit bezüglich der Kurse und durch kleinere Kursformate auszeichne.

In Freiburg werden 120 von 240 ECTS-Punkten in einem von vier Hauptfächern absolviert, zur Wahl stehen Life Sciences (Biologie, Chemie und Medizin), Culture and History, Governance sowie Environmental and Sustainability Services. Die restlichen ECTS-Punkte ergeben sich aus Wahlfächern und Kursen wie dem Fach Responsibility and Leadership, in dem Führungsqualitäten vermittelt werden. Auch in Manchester kann ein Drittel des Studiums aus Nebenfächern bestehen, muss es aber nicht. Das Programm sei „sehr flexibel“, beschreibt Midson. Studierende können aus dem Vollen schöpfen und Kurse aus den Bereichen Theologie, Ägyptologie, Linguistik und Katastrophenmanagement bis hin zu Drama und Digital Humanities wählen. Studienberater helfen bei der Entscheidung.

Neugier und Flexibilität gefragt

Informationen

Studierende des Leiden University College würden sich meist für die Hauptfächer Governance, Economics and Development und Earth Energy Sustainability entscheiden, sagt Mesman. Dabei ist ihr wichtig zu betonen, dass es nicht wichtig sei, welches Fach gewählt werde. Alle hätten denselben Stellenwert. Der Meinung ist auch Midson, er selbst verbinde in seiner Forschung mehrere Disziplinen, „um zu erforschen, welche Art von Beziehungen wir mit Robotern eingehen sollten und welche nicht“.

Den „idealen Studenten“ für ein Liberal-Arts-Studium am University College Freiburg gebe es zwar nicht, sagt Sterzel, aber Eigenschaften, die dazu beitragen, dass Studierende „am meisten profitieren“. Dazu zählen Neugier, Agilität, Entscheidungsfreude und „dass man sich gern einbringt und das auch auf Englisch und in unterschiedlichen disziplinären Bereichen kann“. Denn vormittags besuchen Studierende etwa einen Kurs in Biologie, am Nachmittag kann Wissenschaftsphilosophie auf dem Programm stehen. Die offizielle Unterrichtssprache ist stets Englisch. „Damit wollen wir internationale Offenheit signalisieren“, sagt Sterzel. Diese geht so weit, dass das Freiburger College beim Ministerium in Stuttgart eine Erhöhung der Maximalquote von Nicht-EU-Studierende von den üblichen acht auf 20 Prozent beantragt hat. Insgesamt werden 80 Studienplätze vergeben, doch laut Sterzel werde das Kontingent jedes Jahr um das Drei- oder Vierfache überbucht. Nur wer das Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,0 absolviert hat und beim Interview überzeugt, erhält einen Platz. Auch in Den Haag scheint der Andrang groß, oft bewerben sich 600 Studierende für 200 Plätze.

Die Weiterbildungs- und Berufschancen seien vielfältig, sagt Sterzel. 80 bis 85 Prozent der Absolventen schließen ein Masterstudium, etwa in Informatik, molekularer Medizin oder Politikwissenschaft an. Berufsfelder reichen von der Privatwirtschaft über NGOs und Journalismus bis hin zu Social Entrepreneurship. Liberal-Arts-Absolventen seien ein Gewinn für jedes Unternehmen, findet Sterzel, schließlich seien das „Leute, die etwas bewegen wollen“.Bei Liberal Arts handelt es sich um ein in Österreich in dieser Form noch nicht angebotenes Studium, das sich durch Interdisziplinarität auszeichnet. Indem Studierende ihre Studienfächer frei kombinieren können, sollen sie zu Generalisten ausgebildet werden.
Studienanbieter in Europa (Auswahl):

► University College Freiburg, www.ucf.uni-freiburg.de

► Universität Leiden, www.universiteitleiden.nl

► University of Manchester, www.manchester.ac.uk

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