Wort der Woche

Wie nachhaltig sind alternative Energiequellen?

Windenergie und Elektromobilität erfordern große Mengen an seltenen Erden. Deren Gewinnung ist allerdings so aufwendig, dass ökologische Vorteile rasch verpuffen können.

Es gibt nur einen wirklichen Ausweg aus der Abhängigkeit von Energieimporten und dem Klimawandel: einen starken Ausbau alternativer Energiequellen (v. a. Wind und Sonne) in Verbindung mit höherer Energieeffizienz (etwa durch Elektromobilität). Für diese Energiewende ist ein ganzes Bündel neuer Materialien nötig: neben Lithium oder Nickel insbesondere die sogenannten seltenen Erden, eine Gruppe von 17 einander ähnelnden Metallen wie z. B. Cer, Yttrium, Lanthan, Praseodym, Neodym, Gadolinium, Dysprosium oder Erbium. Die Bezeichnung seltene Erden ist irreführend: Sie sind nämlich weder selten (sondern häufiger als z. B. Selen, Quecksilber oder Gold), noch haben sie etwas mit Erde zu tun; als „Erden“ bezeichnete man früher Metalloxide (in dieser Form wurden sie zuerst isoliert).


Gemeinsam ist diesen 17 chemischen Elementen, dass sie besondere Eigenschaften haben, die sie für viele technische Anwendungen beinah unersetzlich machen – etwa für Bildschirme, LEDs, Akkus, Katalysatoren oder technische Keramik. Eine aktuell besonders wichtige Anwendung sind starke Permanentmagnete aus einer Neodym-Eisen-Bor-Legierung (plus Dysprosium für eine höhere Temperaturstabilität). Ein mittelgroßes Windrad enthält 350 Kilogramm NdFeB-Magnete. Und auch Elektromotoren sind kaum ohne sie denkbar.

Die Gewinnung der Seltenerde-Metalle ist extrem aufwendig, sodass immer wieder Zweifel aufkommen, ob alternative Energiequellen – deren Nutzung ohne diese Substanzen kaum denkbar ist – wirklich um so viel nachhaltiger sind. Eine finnisch-deutsche Forschergruppe hat nun umfassende Lebenszyklus-Analysen von 15 seltenen Erden durchgeführt. Das Ergebnis macht nachdenklich – zusätzlich zu der Tatsache, dass es nur wenige Lieferländer gibt, von denen wir immer abhängiger werden: Sowohl beim Erzabbau als auch bei der Aufbereitung und Verarbeitung fallen viele Schadstoffe an, Energie- und Wasserverbrauch sind substanziell, ebenso die CO2-Emissionen. Im schlimmsten Fall wird der Großteil der CO2-Ersparnis, die ein Windrad im Vergleich zu fossiler Energie bringt, von den Emissionen bei der Herstellung aufgefressen (Science of the Total Environment 832, 155022).
Die Forscher drängen daher zum einen auf detaillierte Lebenszyklus-Analysen bei konkreten Einsatzgebieten von seltenen Erden. Zum anderen rufen sie dazu auf, endlich brauchbare Recycling-Verfahren zu entwickeln – derzeit liegt die Recyclingquote bei nicht einmal einem Prozent.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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