Unterwegs

Amerikaner auf Reisen: Kein Like für "like"

Das sinnfreie Füllwort macht den Europatrip von jungen Amerikanern zur akustischen Invasion.

Süditalien wie in seligen Zeiten. In der Trattoria am Strand sind nur zwei Tische besetzt. Da nimmt ein junges Paar Platz und knödelt der Kellnerin lautstark in breitem Amerikanisch ihr kulinarisches Begehren vor. Mir schwant: Gleich geht es los. Und schon zucke ich zusammen, wie unter leichten Stromschlägen: Like ... like ... like. Ich weiß, es ist eine Marotte, aber ich reagiere auf dieses schändlich sinnfreie Füllwort allergisch.

Amerikaner unter 40 verwenden es bekanntlich in jedem Satz mindestens zwei Mal. Zuweilen erhält das nervenaufreibende Stakkato durch ein gedehntes „amaaaazing“ einen rhythmischen Ruhepunkt. Die rhetorische Arabeske deutet nicht auf Dümmlichkeit hin, sie ist bis hinauf zu Universitätsassistentinnen allgegenwärtig. Man sollte ihnen vorrechnen, wie viele Jahre Lebenszeit sie produktiver nutzen könnten, wenn sie diese idiotischen Likes aus ihrem Redefluss streichen würden. Stattdessen erklärt man mir, um Verständnis heischend, das Gelike sei Ausdruck juveniler Unsicherheit. Das erscheint mir wenig plausibel. Wenn unsereins schüchtern ist, schweigen oder flüstern wir. Die jungen Amerikaner aber strotzen vor Selbstvertrauen, wenn sie ihren mit Likes gespickten, volumenstarken Wortschwall über mich ergießen. Ich leide.

Vielleicht wäre ein längerer Aufenthalt in den USA der Desensibilisierung dienlich. Aber jetzt bin ich halt nun einmal in Italien. Könntet ihr lieben Mitfremden aus Übersee hier denn nicht auf „allora“ umsteigen, mit welchem Akzent auch immer? It would be like, you know, like – amaaaazing.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2022)

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