Atomwaffen

Eine Generation mit Bombenangst

Die Generation, die nach 1950 aufwuchs, bekam ständig die Gefahr der Vernichtung der Welt durch Atomwaffen vorgeführt. Bei ihr stellt sich derzeit wieder diese Angst ein, und sie macht den Jüngeren Vorwürfe, den Diktator Putin zu sehr zu reizen.

Vom großen George Bernard Shaw stammt das Bonmot: „Alte Leute sind gefährlich, sie haben keine Angst vor der Zukunft.“ Bezüglich der aktuellen Stellungnahmen von Politikern und Intellektuellen, wie man der russischen Aggression in der Ukraine entgegentreten soll, trifft das nicht zu. Im Gegenteil: Angefangen beim 63-jährigen Olaf Scholz bis hin zu den teilweise bereits greisen Unterzeichnern eines warnenden offenen Briefs findet man stattdessen Stellungnahmen, die zu Vorsicht, Zurückhaltung, Entgegenkommen und Verhandlungsbereitschaft raten.

Statement vom Meister der Polit-Fotomontage John Heartfield, 1955. Arbeiterfaust und Dollarzeichen verweisen auf das Herkunftsland: die DDR.
Statement vom Meister der Polit-Fotomontage John Heartfield, 1955. Arbeiterfaust und Dollarzeichen verweisen auf das Herkunftsland: die DDR.Corbis via Getty Images

Nur ja nicht den Despoten im Kreml noch mehr reizen! „Angesichts des unbedingt zu vermeidenden Risikos eines Weltenbrandes“, so der 93-jährige Philosoph Jürgen Habermas, bestehe „kein Spielraum für riskantes Pokern“. Kriege gegen eine Atommacht könnten nicht mehr im herkömmlichen Sinne gewonnen werden. Wer sind die, die das „riskante Pokerspiel“ betreiben? Gemeint sind wohl die Millennials, die in der deutschen Regierung an das Ruder der Macht gekommen sind, wie Robert Habeck oder Annalena Baerbock. Sie begegnen dem erpresserischen Versuch des Diktators, dem Rest der Welt mit der Androhung von Nuklearwaffen seinen Willen aufzuzwingen, nicht defensiv, mit Rückzug auf die rein nationalen Interessen ihres Landes, sondern offensiv.

Angstgeneration. Man hat den Eindruck: Bei ihnen verfängt der Erpressungsversuch aus Moskau nicht. Sie sind in einer anderen Welt aufgewachsen als die Babyboomer vor ihnen, sie kennen den Kalten Krieg nicht mehr aus eigenem, bewusstem Erleben und gehören nicht zu einer Angstgeneration. Ihnen gegenüber stehen die überwiegend älteren Unterzeichner des offenen Briefs, wie Alice Schwarzer, Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser, Alexander Kluge, die zum Teil selbst noch den „heißen Krieg“ vor 1945 miterlebt haben, auf jeden Fall aber durch die Erfahrung der Angst vor der Auslöschung des Lebens durch einen Atomkrieg geprägt wurden. Und sei es, dass sie die Angst ihrer Eltern im Kalten Krieg miterlebt haben. Sie werden durch die mögliche Rückkehr eines womöglich nuklear geführten Krieges auf dem Boden Europas zutiefst verstört, vor allem weil sie, die intellektuell Geschulten, keinen Ausweg aus dem Dilemma wissen, einem Diktator nachzugeben oder die Demokratie zu verteidigen.

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