Gastbeitrag

Deutsche Köpfe rollen anders

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Österreichisches Unternehmen kann sich nicht gegen Vorwürfe auf deutscher Plattform wehren, entschied der OGH. Ein Gastbeitrag.

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Linz. Die Meinungsfreiheit und die erleichterte Erwerbstätigkeit im Binnenmarkt der Europäischen Union sind gewiss schützenswerte Aspekte des Gemeinschaftslebens. Muss man sich deshalb aber wirklich als Arbeitgeber die unwahre Bewertung auf einer Website „Köpfe rollen am laufenden Band“, und dies gleich als Eyecatcher in der Überschrift, gefallen lassen?

Bewertungsplattformen boomen, manche dienen auch wirklich der Informationsgewinnung durch Interessenten. Die Lehrerbewertungs-App „Lernsieg“ fand, doch etwas überraschend, Bestand in den Augen des Obersten Gerichtshofs. Jetzt kam eine Arbeitgeberbewertung zur Entscheidung: Eine deutsche Website ermöglicht dies, und die dortige Bewertung eines österreichischen Arbeitgebers titelte gleich mit „Köpfe rollen am laufenden Band“. Daneben wurde berichtet, Mitarbeitervorschläge führten nicht zu Verbesserungen, sondern zu Kündigungswellen, und Frauen hätten kaum Karrierechancen.
Der so bewertete Arbeitgeber forderte vom Websitebetreiber – neben der durchgesetzten Löschung der unrichtigen Bewertung – die Bekanntgabe von Namen, Adresse und E-Mail-Adresse des Bewerters, um gegen diesen wegen der inhaltlich unrichtigen Bewertung Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend machen zu können (§§ 1330, 20 ABGB, österreichisches Recht).

Welches Land, welches Recht?

Der Binnenmarkt der Europäischen Union soll uns allen, Unternehmern wie Verbrauchern, das wirtschaftliche Leben erleichtern, nationale Schranken gehörten daher abgeschafft. Die „Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt“ (RL 2000/31/EG) ist eine Maßnahme zur Umsetzung des Binnenmarktes. Damit die Mitgliedstaaten der Union Anbieter von elektronischen Diensten aus dem EU-Ausland nicht behindern (können), dürfen sie an den Diensteanbieter prinzipiell keine strengeren rechtlichen Anforderungen stellen als jenes Land, in dem der Diensteanbieter seinen Sitz hat.

Österreich hat die Richtlinie der EU mit dem E-Commerce-Gesetz in nationales Recht umgesetzt, nach dessen § 20 „richten sich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter nach dem Recht dieses Staats“. Also gilt deutsches Recht? Dann wird es haarig, das deutsche Recht kennt für Fälle wie konkret diesen keinen Auskunftsanspruch des Bewerteten, damit er gegen die unrichtige Bewertung vorgehen kann.

Nicht nur Juristen wissen von der Bedeutung der Ausnahmen von der Regel. Es gibt sie auch hier. Vereinfacht dargestellt kann im öffentlichen Interesse vom Herkunftslandprinzip abgewichen und ein Sachverhalt innerstaatlichem Recht unterstellt werden. So zum Beispiel zum „Schutz der öffentlichen Ordnung, etwa zur [. . .] Verfolgung strafbarer Handlungen“. In Österreich wird die Behauptung unrichtiger Tatsachen, wodurch Kredit, Erwerb oder berufliches Fortkommen eines anderen gefährdet werden, als Kreditschädigung bestraft (§ 152 StGB). Der schädigende Erfolg der falschen Bewertung tritt auch in Österreich ein. Also doch österreichisches Recht und Auskunftsanspruch?

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