Kino

Große Gosche und bestes Timing

Michael Ostrowski besetzte alle Kinder im Film mit seinen eigenen – etwa Tochter Elisea.
Michael Ostrowski besetzte alle Kinder im Film mit seinen eigenen – etwa Tochter Elisea. [ Filmladen ]
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Ein Provinzstrizzi platzt in eine Oberschichtfamilie: Die bizarre Komödie „Der Onkel / The Hawk“ von und mit Michael Ostrowski ist vor allem stylish – und auch ein bisschen lustig.

„Timing ist alles“, sagt Mike Bittini zur Kellnerin eines Rastplatzrestaurants, die ihm gerade ein Glas Averna hinstellt, und schenkt ihr einen tiefen Blick. „Du hast so liebe Augen, Jasmin“, fügt er an. Schon verschwinden die beiden zum rhythmischen Sound des Schnitzelklopfers im Hinterzimmer. Seelenruhig zieht Mike danach seine Weste wieder über sein weißes Feinripp-Leiberl, während draußen eine Runde aufgebrachter Taxifahrer an die Tür trommelt. Sie wollen ihr Geld zurück, das Mike ihnen beim Kofferraum-Glücksspiel abgezockt hat. Schnell abhauen? Aber geh! Nur mit der Ruhe: Punktgenau entwischt er ihnen, sagt der Kellnerin Baba, torkelt gelassen über ein paar Bahngleise, woraufhin prompt ein durchratternder Regionalzug ihn von seinen Verfolgern abschneidet . . .

Ja, die Kunst des richtigen Timings beherrscht dieser goscherte Provinzstrizzi, gekonnt verkörpert vom in solchen Rollen stets voll aufgehenden Michael Ostrowski. Das komödiantische Timing ist auch eine der Stärken dieses Films, den Ostrowski gemeinsam mit Helmut Köpping geschrieben und inszeniert hat: „Der Onkel / The Hawk“, jetzt im Kino, ist zugleich wilde Familiendramödie und Kleinganovenposse – und sucht dabei auf hochstilisierte, lakonisch-klamaukige Art die Coolness in der österreichischen Vorstadt-Fadesse. Da wird zu Udo Jürgens' „Ich weiß, was ich will“ der Revolver gezückt, da sitzt jeder Blick, jeder Schnitt und jede Fliege perfekt auf der Wange, da wird selbst das Hände-Desinfizieren inszeniert wie das Aufrüsten einer Gangsterbande.

Und mittendrin ist eben dieser Mike mit seinem gekämmten Schnauzer, Goldketterl und Arsenal so flotter wie depperter Sprüche (so etwas wie „Nicht schlecht, Herr Specht!“ können nicht viele so überzeugt daherplappern wie Ostrowski). Er platzt, nachdem er sich 17 Jahre nicht hat blicken lassen, in die schicke Familienvilla seines unvermutet ins Koma gefallenen Bruders – mit der Absicht, eine alte Romanze zu reaktivieren.

Anke Engelke ist angemessen irrwitzig

Seine Schwägerin (angemessen irrwitzig: Anke Engelke als Anwaltsgattin mit Lockenwicklerfrisur) habe sich damals für den falschen Bruder entschieden, meint er. Für deren jugendliche Kinder (gespielt von Ostrowskis eigenen Kindern Elisea und Maris) wird der neue Onkel zur respektierten Bezugsperson, bei den Nachbarn (Simon Schwarz als spießiger Polizist, Hilde Dalik als irre Krankenschwester) weckt er Verdacht. Dabei scheint es ausgerechnet sein erfolgreicher Bruder zu sein, der in krumme Geschäfte verwickelt ist.

Der Film lebt von den lustvollen Darbietungen seiner Schauspieler – darunter Gerhard Polt in einer Gastrolle als bestechlicher Gutachter – und vom anarchischen Zugang der Regisseure, in dem auch die Filme des 2014 verstorbenen Michael Glawogger nachhallen. Dessen Œuvre führten Ostrowski, ein Stammschauspieler Glawoggers, und Köpping, der jahrelange Leiter des Grazer Theater im Bahnhofs, 2016 mit ihrem Film „Hotel Rock 'n' Roll“ fort. Die Idee für „Der Onkel“ soll ihnen schon länger im Kopf herumschwirren. Mit grellroten Kapitelüberschriften verleihen sie dem Film etwas Knalliges, lassen aber auch sanfte Melancholie durchscheinen: All die bizarren Wendungen verdecken nämlich nicht, dass im Grunde jede Figur an unerfüllten Sehnsüchten laboriert.

Der abgründige Humor, der hier versucht wird, geht nicht immer auf, die den Film rahmende Parabel über einen Habicht im Hühnerstall will sich nicht recht organisch einfügen. Zwischen Schlagerbeats, Tropen-Tapeten, Zigarettenrauch und Designermöbeln scheint „Der Onkel“ eher kultig als lustig sein zu wollen. In seinen besten Momenten gelingt beides ein bisschen.

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