Theaterkritik

Wie man Horváth seiner Wirkung beraubt

Anna Stöcher
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Georg Schmiedleitner scheitert im Wiener TAG an Ödön von Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“.

Ödön von Horváths Theaterstücke halten sich grandios auf den Spielplänen. Und sie wirken fast immer. Das liegt auch daran, dass sie ziemlich resistent gegen überambitionierte Inszenierungen sind. Die Sprache Horváths – das, was Peter Handke „die verwirrten Sätze seiner Personen“ und „diese irren Sätze“ nannte – hält auch Betisen der Regie stand. Man muss sich schon einigermaßen bemühen, um sie ihrer Wirkung zu berauben.

Georg Schmiedleitner ist das im Theater in der Gumpendorfer Straße mit „Glaube Liebe Hoffnung“ gelungen. Zugegebenermaßen mit beträchtlichem Materialaufwand, viel Maskerade und Video. Vor allem aber durch die Idee, das Stück nicht einfach aufzuführen, sondern in einen Rahmen zu setzen. Der „kleine Totentanz“, so Horváths Untertitel, wird zur TV-Show. Wobei sich Schmiedleitner offenbar nicht entscheiden konnte, ob er lieber eine Reality-Show – in der eine zynische Jury die Menschen ihre Schicksale vorführen lässt und deren Tragik bewertet – zeigen will oder einen Song Contest, bei dem die tragische Antiheldin Elisabeth singt. Also zeigt er beides alternierend, überschreibt das Spiel anachronistisch mit „Dalli Dalli“ und lässt alle Figuren des Dramas zugleich als Jurymitglieder agieren. Dann sagen sie Sätze wie „Was ist deine Business-Idee, Elisabeth?“ – ein läppischer V-Effekt, der vielleicht zu einem Brechtschen Lehrstück passt, aber nicht zu Horváth.

Karikaturen statt Personen

Schon weil dadurch genau das passiert, was Horváth mehrmals explizit abgelehnt hat: Die Figuren werden zu Karikaturen, zu „Juxspiegelbildern“, das Spiel wird parodistisch, sinnlos überdreht. Der Präparator meldet sich via Video, Elisabeth spricht in ein Mikrofon, es wird viel hysterisch gebrüllt, und wie so oft im Theater: Je mehr geschrien wird, umso mehr lässt einen dass Geschehen kalt. Fast alle Schauspieler, ganz besonders Michaela Kaspar als Frau Prantl, mühen sich um größtmögliche Affektiertheit. Nur Lisa Schrammel als Elisabeth wirkt wenigstens stellenweise wie eine Person, die sich selbst – und das richtige Leben im falschen – sucht, nicht wie eine Karikatur. Und, immerhin, wenn sie mit schreckhaft geweiteten Augen Schlagerzeilen wie „Denn immer wieder geht die Sonne auf“ singt, hat das fast die Grandezza des jüngsten Ulrich-Seidl-Films „Rimini“.

Doch das sind nur Momente. Sonst zieht sich der Abend erbärmlich im TAG-Theater, das bei der zweiten Aufführung nur zur Hälfte gefüllt war.

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