Morgenglosse

Eine Reise-Lotterie namens Deutsche Bahn

Wer bei der Deutschen Bahn ein Service kauft und etwas Pech hat, kann schon einmal stundenlang mit anderen auf dem Boden verbringen.
Wer bei der Deutschen Bahn ein Service kauft und etwas Pech hat, kann schon einmal stundenlang mit anderen auf dem Boden verbringen.privat
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Das Machtzentrum der EU will in eine klimaneutrale Zukunft voranschreiten. Ein dafür notwendiges Unternehmen vermiest einem die Reise dahin zuverlässig.

Es gibt dieses Werbesujet, eine digitale Foto-Kampagne. Da steht ein traurig dreinblickender Geschäftsmann in seinem dunklen Büro. Er blickt durch die Jalousie aus dem Fenster, offenbar wartet er schon länger auf jemanden. Daneben steht: „2 Jahre später: Deine Kunden verzweifeln langsam“. Darüber das Logo der Deutschen Bahn.

Das ergibt Sinn, wenn auch nicht so, wie von den Werbern erdacht. Die Deutsche Bahn ist oftmals zum Verzweifeln. Immer wieder Verspätungen, schadhafte Züge, kompliziertes Umsteigen. Da wird aus einer siebenstündige Reise aus nicht genannten Gründen schon einmal eine 12-Stunden-Odyssee. „Dat schaffen Se“, sagte der Schaffner nur.

Oft tauchen auch ganze Waggongarnituren einfach nicht auf, gerne bei schon vollkommen überfüllten Zügen. Die Reservierung ist dann einfach ungültig, die Platzwahl verwandelt sich in ein Gerangel. Wer bei der Deutschen Bahn bucht und etwas Pech hat, kann sich damit anfreunden, schon einmal stundenlang mit anderen auf dem Boden zu verbringen. Das ist aber noch besser als das Schicksal jener, die am Bahnsteig über Lautsprecher erfahren, dass ihr Langstrecken-Zug einfach ersatzlos gestrichen wurde. Tut uns auch leid, die Deutsche Bahn.

Ein Highlight auch eine Fahrt von Berlin nach Köln in der Osterwoche. Schon beim Einsteigen war klar: Der Strom im Waggon ist weg. Das störte niemanden, bis nach drei Stunden der Deutsche-Bahn-Mitarbeiter durch die Reihen ging. Im Regelbuch stehe, das geht so nicht, alle müssen sofort aufstehen und sich einen anderen Sitzplatz suchen – in einem völlig überfüllten Zug. Auf eigene Gefahr sitzen bleiben? Auf gar keinen Fall. Er drohte einer Dame mit der Polizei. Der menschenleere Waggon fuhr mit, die Sitzreihen abgeklebt, als wären sie ein Tatort. Etliche Menschen, die Plätze reserviert hatten, saßen auf dem Boden.

Die Werbung der Deutschen Bahn (hier zu sehen) hat übrigens einen zweiten Teil, die Auflösung mit dem Aha-Moment. Der im Büro wartende Geschäftsmann muss nicht länger verzagen, er bekommt bald Besuch. Ein wunderschön weißer Zug gleitet durch die grüne Landschaft. Zuverlässig, bequem und auch noch klimaschonend sieht das aus. Das Innere des Zuges sieht man nicht. Dort sitzen vermutlich entnervte Menschen auf dem Boden und hoffen, dass es bald vorbei ist.  

Die Werbung ist ungewollt lustig, die Lage auf gewisse Weise aber auch tragikomisch. Das regelmäßige Versagen, das die Deutsche Bahn umgibt, vermiest nämlich den so dringend nötigen Umstieg von Flugzeug und Auto auf die Schiene. Wer aus beruflichen Gründen pünktlich sein muss, vertraut bei der Deutschen Bahn auf das Prinzip Hoffnung. Das zeigen Statistiken, nach denen jeder vierte Zug stark verspätet ist. Groß angelegte, milliardenschwere Projekte wie der Deutschlandtakt oder der Bahnhof in Stuttgart stecken fest. Die Deutsche Bahn kann froh sein, dass andere Infrastruktur wie der Chaos-Flughafen Berlin-Brandenburg oder zerfallende Autobahnen auch keine Laune machen.

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