Quergeschrieben

Heiß umfehdet, wild umstritten: Das Marchfeld

Agrarsteppe, Siedlungsgebiet und Wiege der Ökologiebewegung: Das Marchfeld zwischen Wien und Bratislava ist ein modellhafter Natur- und Lebensraum.

Im Vorjahr war ich Juror beim Josef-Schöffel-Preis. Durch dessen Vergabe fördert das Land Niederösterreich Gemeinden und von Kommunen getragene Initiativen, „die durch hervorragende Leistungen zum Schutz der heimischen Natur oder zur Vertiefung des Verständnisses der Bevölkerung für die heimische Natur einschließlich deren Erholungswert beitragen“. Namensgeber des Preises ist Josef Schöffel (1832–1910), dessen kämpferischem Wirken wir die Rettung des Wienerwalds verdanken; also auch: die einzigartige Lebensqualität in der Bundeshauptstadt, die verlässlich alle Jahre wieder in internationalen Rankings gerühmt wird. Die im Namen Schöffels ausgezeichneten Projekte – allesamt engagiert, professionell, bürgernah – waren toll. Bemerkenswert scheint mir nach ein paar Monaten der Distanz allerdings, was bei der Jurysitzung nicht zur Debatte stand: Es hatte keine einzige Einreichung aus dem Marchfeld gegeben. Ich erwähne das nicht nur, weil ich als S-Bahn-Pendler aus dem Marchfeld sensibilisiert bin, vielleicht sogar ein wenig befangen. Im Marchfeld wurde immerhin gerade die Niederösterreichische Landesausstellung eröffnet. Im Titel verspricht sie „Marchfeld-Geheimnisse“ zu lüften – im Untertitel das Spannungsverhältnis „Mensch. Kultur. Natur“.

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Außenstehende könnten leicht annehmen, dass alles, was Natur angeht, im Marchfeld längst geklärt sei. Dass die diesbezüglichen Auseinandersetzungen in den Niederungen nordöstlich von Wien, die seit jeher landwirtschaftlich genutzt werden, die schon zur Römerzeit weitgehend entwaldet und bereits vor Jahrhunderten als „Kornkammer Wiens“ bekannt waren, alle längst geführt worden seien. Passé wie die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen und die Herrschaft der Habsburger, die durch den Ausgang dieser riesigen Ritterschlacht 1278 im Marchfeld begann. Man könnte annehmen, zwischen Wien und Bratislava wäre alles Erhaltenswerte längst geschützt. Schließlich gibt es mit der „Weikendorfer Remise“ bei Gänserndorf, einer kargen, artenreichen Steppenlandschaft auf Sanddünen, bereits seit 1927 das erste Naturschutzgebiet Österreichs. Und die Besetzung der Hainburger Au, durch die ein Kraftwerksbau und die vorgesehene Zerstörung der letzten intakten Aulandschaft Mitteleuropas verhindert werden konnte, jährt sich auch bald zum 40. Mal. Dass dem nicht ganz so ist, belegt allein, dass der 1996 aus der Aubesetzung hervorgegangene Nationalpark Donau-Auen vor ein paar Jahren erweitert wurde – und dass zu dessen 25-Jahr-Jubiläum im Vorjahr abermals über eine Vergrößerung nachgedacht wurde.

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