Morgenglosse

ÖBB, bitte mehr Fingerspitzengefühl

Ein Zug von Wien nach Linz, der wie jedes Wochenende überfüllt ist. Doch an manchen Tagen kann jener Fall eintreten, dass der Zugbegleiter die stehenden Passagiere aus dem Zug schmeißen lässt – notfalls sogar durch die Polizei.

Pendler, die am Freitag oder Sonntag die Westbahnstrecke mit dem Zug nutzen, werden das Gedränge an solchen Tagen nur zu gut kennen. Und das beginnt bereits beim Einsteigen. Teils mit Ellbogentechnik wird versucht, möglichst schnell in den Zug zu gelangen, um noch vor den anderen Passagieren einen Sitzplatz zu ergattern, egal wo. Einerseits, um nicht stehen zu müssen, andererseits, weil passionierte Zugfahrer garantiert wissen, dass sie ansonsten Gefahr laufen, des Zuges verwiesen zu werden. Entweder durch die Security oder Polizei.

Ja genau. Löst man am Schalter in der Bahnhofshalle lediglich ein Zugticket und reserviert keinen Sitzplatz, ist das keine Garantie für eine Mitnahme im Zug. Das haben auch die ÖBB auf Anfrage der „Presse“ bestätigt. Interessant ist hier aber, dass dieses Einschreiten nicht von einer bestimmten stehenden Personenanzahl abhängt, sondern lediglich von der Willkür des Zugbegleiters (der Chef an Bord).

Ist es also an einem starken Reisetag dem Zugbegleiter schlichtweg egal, dass viele Fahrgäste auf den Gängen sitzen, wird der Zug ganz normal fahren. Sieht es ein anderer nicht so gelassen, bittet er per Durchsage alle stehenden Passagiere, den Zug zu verlassen. Verständlicherweise kommen etliche Fahrgäste dieser Forderung nicht nach. Darauf wird in Folge die Security oder Polizei für eine „Zugräumung“ gerufen.

Gerade wenn dieses heikle Verfahren von der Willkür des Zugbegleiters abhängt, wie ein Mitarbeiter des Kundenservice mitteilte, müsste er dieses Unterfangen mit deutlich mehr Fingerspitzengefühl bewerkstelligen. Das Personal wickelt derartige Fälle nämlich relativ verständnislos ab. „Das dauert immer lange, weil die stehenden Fahrgäste offenbar auf dem einen Ohrwaschel derrisch sind“, so der Mitarbeiter des Kundenservice der ÖBB. Auch die Security ist genervt von den Stehenden, anstatt Verständnis über ihre Verärgerung zumindest zu heucheln.

Es ist einfach nicht begreifbar, wieso in einem Fall, die Passagiere gehen müssen und in einem anderen Fall nicht. Einerseits wird darauf gepocht, weniger mit dem Auto zu fahren und öffentliche Verkehrsmittel vermehrt zu nutzen und andererseits fahren offenbar zu wenige Züge, um eine reibungslose Reise mit dem Zug gewährleisten zu können. Klar, dass so mancher verärgerter Passagier nach so einer Aktion lieber wieder mit dem Auto fährt. Auch wenn die ÖBB mitteilt, dass gerade an Wochenende mehr Züge fahren: Offenbar reicht das immer noch nicht. Und manchen reicht es damit endgültig.

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