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Erkennt die App lachende Menschen in mehreren Fotos desselben Abends, erstellt sie eine Fotocollage.
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Soziale Medien

Was hast du vor 7 Jahren gemacht?

Seit die Möglichkeit besteht, jeden Tag unzählige Fotos zu machen, die anschließend in der Cloud gespeichert, sortiert und kategorisiert werden, um später als automatische Slideshow abgespielt zu werden, wird ein Teil unseres Lebens erzählt, ohne dass wir etwas dafür tun.

Tag für Tag sind wir in sozialen Medien Rezipienten kleiner autobiografischer Erzählungen weitgehend fremder Menschen. Tiktok spült mir zum Beispiel seit einiger Zeit die Videos eines jungen Paares aus Berlin in den Strom unzähliger Videoclips. Ich sehe sie beim Kochen in ihrer Altbauwohnung, beim gemeinsamen Lesen, beim Malen, auf Reisen und beim Yoga praktizieren, die sanfte Musik erzeugt den Eindruck eines angenehmen, zufriedenen Lebens voller Ruhe und Zuneigung. Viele der Videos wirken wie zusammengeschnittene Fassungen romantischer Arthouse-Filme.

Das omnipräsente autobiografische Erzählen, das durch digitale Medien in das Alltagsleben vieler Menschen Einzug erhielt, hat unsere Erwartungen an unser eigenes Leben dazu verändert. Längst geht es dabei nicht mehr nur um die kleinen Fotostorys anderer Menschen, die wir in sozialen Medien sehen können. Wer beispielsweise die entsprechende Funktion nicht aktiv ausstellt und schon einige Jahre einen Google-Account nutzt, bekommt häufig einen Hinweis auf das Smartphone „Sieh dir an, was du vor 7 Jahren gemacht hast“. Automatisch zeigt das Handy dann ausgewählte Fotos der entsprechenden Woche aus dem Jahr 2015. Schließt man die App nicht rechtzeitig, springt die Anzeige ins darauffolgende Jahr und so weiter – bis in die Gegenwart. Anhand von Fotos erzählt das System dem Benutzer mit seinen Bildern Teile der eigenen Biografie in episodenhaften Abschnitten. Seit die Möglichkeit besteht, jeden Tag unzählige Fotos zu machen, die in der Cloud gespeichert, sortiert und kategorisiert werden, um dann später als automatische Slideshow abgespielt zu werden, wird ein Teil unseres Lebens narrativiert, ohne dass wir aktiv etwas dafür tun.

Ursprünglich 2013 von Snapchat eingeführt, findet sich das Tool inzwischen auch bei Instagram und Facebook, sogar Whatsapp, Twitter und Youtube haben Varianten davon entwickelt. User können hier Fotos und Videoschnipsel nacheinander in einer Animation ablaufen lassen und so eine kurze Erzählung erstellen. Inzwischen verfügen nicht nur soziale Medien über eine solche Storyfunktion, auch Google Photos hat für seinen Cloud-Service das beschriebene Tool hinzugefügt, das durch sogenanntes Machine Learning automatisch Fotos und Videoschnipsel zusammenstellt, die in der Cloud abgespeichert wurden. Das Äquivalent von Apple unterlegt diese Fotoerzählungen teilweise auch mit passender Musik. An dieser Stelle sind es nun nicht mehr wir, die anderen Menschen in unserer digitalen Bubble und darüber hinaus unser Leben als Folge von Storys erzählen, sondern wir werden selbst zu Rezipient:innen einer Erzählung unseres Lebens.