Stadtarchitektur

Wien-Wieden: Graue Zone Innenhof

Nähme man den Klimawandel ernst, wären Höfe zu begrünen und die kluge Nutzung von Bestand jedem Neubau vorzuziehen.
Nähme man den Klimawandel ernst, wären Höfe zu begrünen und die kluge Nutzung von Bestand jedem Neubau vorzuziehen.Isabella Marboe
  • Drucken

In einem Innenhof im vierten Wiener Gemeindebezirk soll eine alte Kfz-Werkstatt einem Projekt mit unterkellertem Hotel weichen. So bleibt das Gewerbe in der Stadt – und macht trotzdem nicht froh.

Ein Innenhof in Wien-Wieden: Sein repräsentatives Entrée liegt an der Wiedner Hauptstraße 52, das Haus wurde 1846/47 als Heinrich Mayer's Hotel und Restauration „Zur grünen Weintraube“ errichtet. Im Hof saßen bis zu 400 Menschen unter den Bäumen, zehn Kellner bildeten die „Gartenbrigade“, auf Gastlichkeit folgte das Automobil. 1957 planten die Architekten Löschner & Helmer eine Kfz-Werkstätte, die Friedrich Achleitner in seinen Architekturführer aufnahm. „Die Kfz-Reparaturwerkstätte besteht aus einem Schnellservicedienst und einer großen Reparaturhalle, die 30 Meter frei gespannt als Stahlbeton-Bogen-Shedhalle ausgebildet ist. Die leichte und kühne Konstruktion, aber auch das hauchdünne Schalendach im Hof vermitteln etwas vom zukunftsweisenden Zeitgeist der späten 1950er-Jahre.“ Heute ist hier das Autohaus Wiesenthal, es gibt eine Durchfahrt in den Hof und „Service in the City“. Sehr praktisch, doch Kfz-Werkstätten sterben aus, längst verglühte zukunftweisender Zeitgeist im Klimawandel. Nähme man Letzteren ernst, wären Innenhöfe radikal zu entsiegeln, zu begrünen und die kluge Nutzung von Bestand jedem Neubau vorzuziehen. Stichwort graue Energie, vom (bau)kulturellen Wertverlust ganz zu schweigen.

Im Jahr 2018 erwarb die JP Immobiliengruppe das Haus mitsamt Hof. Dessen südliche Grundgrenze verläuft in zweiter Reihe der Blockrandschicht entlang der Großen Neugasse, nach etwa 60 Metern mündet die Mostgasse ein, dahinter liegt die Shedhalle. Im März 2021 zeichneten Architekt Martin Mittermair und HOT Architektur den ersten Einreichplan, im Dezember 2021 wurde der Anrainerschaft eine „Verständigung gemäß § 70 Abs. 2 der Bauordnung für Wien“ per RSb-Brief zugestellt. Für „Sanierung bzw. Umbau des Straßengebäudes sowie die Errichtung eines unterkellerten Hotels im Hofbereich“ lag ein Ansuchen um Baubewilligung vor, drei Wochen waren Akteneinsicht und schriftliche Einwendungen möglich.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.