Der Kreml könnte die besetzten südukrainischen Gebiete zusammen mit dem Donbass annektieren. Ein Volksrepubliken-Szenario wie 2014 ist heute nur bedingt praktikabel. Doch die Entscheidung dürfte noch nicht gefallen sein.
Cherson/Wien. Bald nach der Eroberung der Stadt Cherson durch russisches Militär tauchten die Gerüchte auf: Die Russen wollten in der Südukraine einen Quasi-Staat ausrufen. Die sogenannte Chersonskaja Narodnaja Respublika – also „Chersoner Volksrepublik“ – wäre das dritte Gebilde, das Wladimir Putin gewaltsam aus der Festlandukraine herausreißt.
Warum gerade Cherson? Seit Beginn des Angriffskriegs am 24. Februar gelangen dem russischen Militär lediglich in der Südukraine relevante Geländegewinne. Eine Landbrücke, die von russischem Territorium über das Luhansker und Donezker Separatistengebiet bis hin zur von Russland annektierten Krim führt, wurde geschlagen und mit Cherson ein Seehafen und wichtiger Verkehrsknotenpunkt am rechten Ufer des Dnipro erobert. Die militärische Kontrolle über das Gebiet ist zwar in Teilen prekär, jedoch fehlen dem ukrainischen Militär bisher die Ressourcen für eine größere Gegenoffensive. Moskau will nun zügig die politische Kontrolle über die Region ausbauen.