Nach dem Wüten des IS haben die meisten Christen ihre Dörfer in Nordsyrien verlassen. Militäreinheiten der Christen kämpfen an der Seite von Kurden und Arabern gegen die neue Bedrohung durch die Jihadisten.
Sie war schon von Weitem zu sehen gewesen mit ihren beiden Türmen mit den hohen Kreuzen. Die Marienkirche im nordostsyrischen Ort Tal Nasri zählte einst zu den imposantesten Gotteshäusern Assyrischer Christen in der Region. Doch heute ist sie eine Ruine. Die Kirchtürme sind verschwunden, der Eingangsbereich des Gebäudes ist eingestürzt. Nur die Kuppel ragt noch wie ein Gerippe in die Höhe. Matay Hanna stapft über den mit Schutt übersäten Boden. Er zeigt auf einen Pfeiler, dessen unteres Ende herausgerissen ist: „Sie wussten, wo man den Sprengstoff anbringen muss, um den größten Effekt zu erzielen. Dafür haben sie eigene Spezialisten geholt“, sagt er ernst. Sie, das waren die Jihadisten des sogenannten Islamischen Staates (IS).
Die Extremisten hatten ab 2014 weite Teile des Irak und Syriens unter ihre Kontrolle gebracht. Sie regierten ihr „Kalifat“ mit einem totalitären Terrorregime: Wer sich ihrer Herrschaft und ihrer bizarren Auslegung des Islam widersetzte, wurde getötet oder brutal bestraft. Das bekamen viele andere Muslime zu spüren – und vor allem religiöse Minderheiten. Mit Massenmord und Versklavung versuchte der IS, die jesidische Minderheit auszulöschen. Und er versetzte auch der christlichen Gemeinschaft in Nordostsyrien einen schweren Schlag, von dem sie sich bis heute nicht erholt hatte.