Ist es fair, Ukrainer besser zu behandeln als Afghanen? Wieso ist Österreich Asylspitzenreiter? Und was kann man dagegen tun? Innenminister Gerhard Karner und Migrationsforscher Gerald Knaus diskutieren.
Herr Knaus, in Österreich wurden 2021 pro Einwohner EU-weit die zweitmeisten Asylanträge gestellt. Das ist mehr als das Dreifache des Durchschnitts. 2022 sind die Zahlen zudem enorm gestiegen – und bei all dem reden wir noch nicht von den mehr als 50.000 Ukrainern im Land. Warum sind es so viele – und zwar fernab der Ukrainer?
Gerald Knaus: Es gibt nicht mehr irreguläre Migration in die EU als vor vier Jahren. Doch viele machen sich in der EU auf den Weg in Länder, in denen sie erwarten, human behandelt zu werden. Das ist ein zynischer Wettlauf nach unten bei Standards, den ein Rechtsstaat mit der Tradition Österreichs nicht mitmachen kann.
Gerhard Karner: Ich habe den Eindruck, manche Schlepperorganisationen nützen jetzt aus, dass wir die Ukrainer so schnell aufgenommen haben. Sie machen mit dieser Situation in anderen Ländern Werbung. Viele Migranten wollen so einfach ihre wirtschaftliche Situation verbessern. Aber das hat mit Asyl nichts zu tun.
Seit 2017 ist die ÖVP im Kanzleramt, man setzt – politisch erfolgreich – auf harte Migrationsansagen. 2021 war Österreich aber trotzdem EU-weit fast Asylspitzenreiter. Die Rhetorik steht also im diametralen Widerspruch zu den Zahlen, Herr Minister.
Karner: Das stimmt nicht, die Schlepper empfangen klare Signale. Wir haben erst am Donnerstag die Öffentlichkeit darüber informiert, dass wir gerade eine internationale Schlepperorganisation zerschlagen und mehr als 200 Verdächtige festgenommen haben.