Gastkommentar

Erhöhung des Strompreises auf wackligen Beinen

Der Verbund gibt an, nur Strom aus Wasserkraft zu liefern, wie hier aus dem Kraftwerk Feistritz in Kärnten.
Der Verbund gibt an, nur Strom aus Wasserkraft zu liefern, wie hier aus dem Kraftwerk Feistritz in Kärnten.(c) Verbund
  • Drucken

Jener „Übergewinn“, den der Bundeskanzler abschöpfen will, scheint bei Altkunden der Verbund AG auf einer rechtlich fragwürdigen Grundlage zu beruhen. Ein Einwurf eines Experten und Stromkunden.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Nach Meinung des Bundeskanzlers müssten die großen Gewinne teilverstaatlichter Energieversorger wie der Verbund AG, die diese Unternehmen wegen/trotz der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise erwirtschaften, durch den Staat abgeschöpft werden und an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fließen. Als Beispiel nannte der Bundeskanzler hohe Gewinne bei der Stromproduktion aus Wasserkraft, wo „nun die hohen Gaspreise der Maßstab für den Strompreis“ seien.

Was Neuverträge anbelangt, ist der Verbund bei der erstmaligen Preisfestsetzung frei, solang sie nicht die Grenzen zum Wucher oder der „Verkürzung über die Hälfte“ (der verlangte Preis ist doppelt so hoch wie der Wert der Stromleistung) überschreitet. Bei Neuverträgen darf die Verbund AG also tatsächlich – wenn es der Markt hergibt – höhere Gewinne anstreben. In bestehenden Vertragsverhältnissen ist die Zulässigkeit der vom Bundeskanzler angesprochenen gewinnmaximierenden Preissteigerungen aber aus folgenden zivilrechtlichen Gründen sehr fraglich.

100 Prozent Wasserkraft

Ich gehe davon aus, dass die beim Verbund anfallenden Gestehungskosten für den gelieferten Strom weder vom Gaspreis noch von Strompreisen auf den internationalen Märkten abhängen. Der Vorstand der E-Control hat in einem Interview in der ZiB2 am 11. Mai festgehalten, dass es keine aufsichtsrechtliche Notwendigkeit ist, den Endkundenpreis an diese Kriterien zu binden. Der Verbund bescheinigt in seinen Abrechnungen, dass der von ihm gelieferte Strom zu 100 % aus (österreichischer) Wasserkraft stammt. Laut seiner Internetseite produziert der Verbund den an die Endkunden gelieferten Strom selbst in seinen Kraftwerken. Dennoch hat er nunmehr mich und seine anderen Kunden unter Hinweis auf den „beispiellosen Anstieg der Energiepreise an den Europäischen Beschaffungsmärkten“ mit einer Verdoppelung des Strom-Arbeitspreises konfrontiert; dies unter Berufung auf die kurz zuvor vereinbarte Wertsicherung des Strom-Arbeitspreises durch Bindung an den Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI).

Am 20. Jänner hatte der Nationalrat auf Basis eines in letzter Sekunde im Plenum (also ohne Begutachtung oder auch nur Ausschussberatung) im Rahmen der Behandlung eines anderen Initiativantrags zur Änderung des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG) eingebrachten Abänderungsantrags die Spielregeln in § 80 ElWOG für die Änderung von Geschäftsbedingungen und Entgelte modifiziert: Bei Änderungen der Entgelte (nicht aber der Geschäftsbedingungen) sind nur die Bestimmungen des ABGB, nicht aber – anders als bislang – jene des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) zu beachten sind.

Nach dem neuen § 80 (2a) ElWOG wird – je nach Lesart – entweder direkt oder durch vertragliche Umsetzung ein einseitiges Preisbestimmungsrecht der Energieversorger begründet. Die Entgeltsänderung muss nach dem Gesetz in einem angemessenen Verhältnis zum für die Änderung maßgeblichen Umstand stehen. Diese Vorgabe korrespondiert mit der auf dem – neben § 80 (2a) ElWOG weiter anwendbaren – ABGB beruhenden Judikatur zu einseitigen Leistungsänderungen. Danach darf der Unternehmer von einem einseitigen Preisbestimmungsrecht nur im Rahmen des sogenannten billigen Ermessens Gebrauch machen. Er darf Treu und Glauben nicht gröblich vernachlässigen. Davon wäre auszugehen, wenn die Unrichtigkeit der Preisfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter sofort erkennbar ist. Die Entgeltsänderung muss also im Streitfall sachlich gerechtfertigt werden können.

Abzustellen ist (so der OGH in 6 Ob 234/06i) auf die Austauschgerechtigkeit im Einzelfall. Verbessert der Unternehmer durch die Ausübung seines Preisbestimmungsrechts seine wirtschaftliche Lage im Vergleich zur Lage bei Vertragsabschluss wesentlich, weil die vorgenommene Preiserhöhung weit über das hinausgeht, was durch die Steigerung der Gestehungskosten erklärt werden kann, ist dies durch gerichtliche Entscheidung zu korrigieren. Vertragsklauseln, die von dieser Rechtslage wesentlich abweichen, wären gröblich benachteiligend und damit nach § 879 (3) ABGB unwirksam.

Offenbar soll die Neuregelung des § 80 (2a) ElWOG auch für die bei Gesetzwerdung (am 15. Februar) bestehenden Verträge gelten und dortige Regelungen zur Entgeltsänderung überlagern. Davon ausgehend gehe ich auf die alte Rechtslage, nach der ebenfalls eine sachliche Rechtfertigung für eine einseitige Entgeltsänderung durch den Unternehmer erforderlich war, nicht weiter ein (siehe nur die Judikatur des OGH zum vormals anwendbaren § 6 (1) Z 5 KSchG).

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Gastkommentar

Gewinnabschöpfungsabgabe als Instrument der Gerechtigkeit?

Die von Kanzler Nehammer erwogene Steuer für staatsnahe Energieunternehmen wirft die Frage nach einer möglichen Gleichheitswidrigkeit auf.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.