Gastkommentar

Gewinnabschöpfungsabgabe als Instrument der Gerechtigkeit?

Die von Kanzler Nehammer erwogene Steuer für staatsnahe Energieunternehmen wirft die Frage nach einer möglichen Gleichheitswidrigkeit auf.

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Wien. Manche waren dann doch stark verwundert, als der Kanzler, den die ÖVP stellt, mit der Forderung nach einer Gewinnabschöpfungsabgabe aufhorchen ließ. Nein, kein Minister des grünen Koalitionspartners, dem man derartige Aussagen vielleicht eher zuordnen würde, sondern der Kanzler und Obmann der ÖVP, jener Partei, die vermeintlich die Interessen der Unternehmen vertritt und Wirtschaft als ihre Kernkompetenz sieht, jener Partei, die „mehr privat, weniger Staat“ propagierte und dankbar die Eingänge der Verkäufe der Staatsbeteiligungen ins Budget verbuchte. Fast befremdlich wirkt im historischen Kontext die aktuelle Kritik desselben Lagers, dass das Aktienrecht nicht Staatsinteressen untergeordnet sei. Natürlich wird das vom politischen Gegenüber, dem grünen Koalitionspartner dankbar aufgenommen, um eine Vermögens- und/oder Erbschaftsteuerdebatte erneut zu befeuern.

Preise abenteuerlich hoch

Bei aller Überraschung lohnt es sich durchzuatmen und sich dem Thema mit einem differenzierten Blick zu nähern. Was wird hier konkret verlangt und warum? Inflations- und Energiepreisverlauf sind seit geraumer Zeit in abenteuerlichen Höhen unterwegs. Eine historische Höchststandmeldung jagt die andere. Und ja, wenn es Krisen gibt, gibt es auch Gewinner. Das ist weder neu noch überraschend.

Was jedoch recht neu erscheint, ist die Tatsache, dass die Zeche nun wir alle zahlen müssen, unabhängig vom Einkommen oder von anderen Merkmalen. Dabei trifft es natürlich jene, die einkommensschwächer sind, viel härter und kann zu sozialen Verwerfungen führen, die der Staat zu mindern aufgerufen ist.

Wir stehen erst am Anfang der Preisspirale. Die Lebensmittelpreise beginnen auch bereits anzuziehen, so die Statistik Austria.

Der Staat hat auch eine Ausgleichsfunktion wahrzunehmen, nicht zuletzt um den sozialen Frieden zu gewährleisten. Das kostet unzweifelhaft Geld. Auch aus Opportunitätsgründen könnte man den Ruf nach einer Gewinnabschöpfung begründen. Wo war der Ruf nach einer Gewinnabschöpfung in der Pharmaindustrie oder liegt Corona bereits zu weit weg? Klar, die Pharmaindustrie ist international zu weit verzweigt. Die Mutterunternehmen sind nicht in Österreich und würden mit einer Abgabenerhöhung rasch vom Standort verschreckt werden. Dann würde man bei den Ertragsteuern Verluste erleiden.

Der Ruf nach Gerechtigkeit, wenn einem selbst weniger Geld zur Verfügung steht und andere scheinbar ungebührlich mehr einkassieren, ist verständlich und, das scheint politisch wichtig, wohl weit verbreitet und scheint eine gewisse Volksmeinung darzustellen.

Dass Branchen zur Kasse gebeten werden, die öffentliche Mittel in Anspruch genommen haben, ist ebenso nicht neu. Man darf sich an die Einführung der Stabilitätsabgabe anlässlich der Bankenkrise erinnern. Diese ist nicht als Gewinnabgabe konzipiert, sondern als Prozentsatz der Bilanzsumme, also zahlbar unabhängig davon, ob ein Gewinn erzielt wird oder nicht. So gesehen erscheint eine Gewinnabschöpfungsabgabe sogar fairer.

Bemerkenswert erscheint der enge Blick, der bei der Gewinnabschöpfungsabgabe – wohl ein martialischer Begriff für Ertragsteuern (Einkommen-/Körperschaftsteuer) – an den Tag gelegt wird. Diese soll Energieunternehmen mit zumindest teilstaatlicher Eigentümerstruktur betreffen. Das ist doch einmal ein interessanter Schritt. Unternehmen erwirtschaften höhere Gewinne, zahlen mehr Ertragsteuern. Das stellt die Finanzierungsfähigkeit des Staates sicher und sollte gewährleisten, dass der Staat seine Aufgaben wahrnehmen kann. Denn Steuern sind, aus Sicht der Mitanteilsinhaber betrachtet, nicht mit anderen Aktionären zu teilen. 100 % fließen dem Bund zu. Und jetzt soll mit einer neuen Abgabe der Gewinnanspruch der anderen Aktionäre erneut geschmälert werden, im Namen der Gerechtigkeit.

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