Quergeschrieben

Es ist immer noch sehr kompliziert mit den Frauen in der Politik

RUeCKTRITT VON LANDWIRTSCHAFTSMINISTERIN KOeSTINGER
RUeCKTRITT VON LANDWIRTSCHAFTSMINISTERIN KOeSTINGERAPA/GEORG HOCHMUTH
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Vielleicht sollten in Zukunft nur noch männliche Regierungsmitglieder zurücktreten. Das verursacht weniger Ärger.

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Zwei ÖVP-Ministerinnen traten am selben Tag zurück und wurden einen Tag später durch einen Minister, einen Staatssekretär und eine Staatssekretärin ersetzt. So weit die unstrittigen Fakten. Doch offenbar sorgt der Vorgang für erhöhten Gesprächsbedarf. Im Netz und in den Medien wird lebhaft diskutiert: Sind die Ministerinnen an sich selbst gescheitert oder am Machismo in der Gesellschaft? Warum war es nicht möglich, bei der Nachbesetzung den Frauenanteil in der Koalition stabil zu halten? Wird die ÖVP jetzt wieder zu einem Männerverein? Ist es grundsätzlich gut für den Feminismus, wenn möglichst viele Frauen in der Regierung sitzen? Oder geht der Schuss nach hinten los, wenn die Auserwählten inhaltlich enttäuschen?

Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck konnten nicht ahnen, welch diskursives Durcheinander sie mit ihren Rücktritten auslösen würden. Sonst hätten sie sich vielleicht ein überzeugendes Narrativ überlegt. Stattdessen bedankten sich beide auch noch überschwänglich bei Sebastian Kurz, was gar nicht gut ankam. Wie sieht das denn aus, wenn gleich zwei Frauen abdanken (oder abdanken müssen), weil der neue Mann an der Spitze ihnen weniger gewogen ist als der frühere Mann an der Spitze?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir wird das langsam zu kompliziert. Vielleicht sollten in Zukunft nur noch Männer zurücktreten. Da gibt es weniger Scherereien. Anfang März schmiss Wolfgang Mückstein nach nicht einmal einem Jahr im Amt seinen Job als Gesundheitsminister mit der dürren Begründung hin, er sehe sich außerstande, weiterhin täglich 100 Prozent zu geben. Kaum jemand wollte groß darüber reden, warum die Politik einen ziemlich jungen, anscheinend fitten Mann in so kurzer Zeit zermürbte. Man einigte sich schnell darauf, dass Mückstein den Job nicht sonderlich gut beherrscht und das endlich eingesehen hatte. Schramböck, wahrlich auch kein Political Animal, hielt immerhin fast fünf Jahre die Stellung.

Frauen hätten es viel schwerer in der Politik als Männer, wird reihum beklagt. Über ein „Häme-Orchester auf Twitter“ schrieb „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon zum Doppelrücktritt. „Standard“-Kolumnist Hans Rauscher befand, das Netz sei „tendenziell frauenfeindlich“. Ich bin nicht sicher, ob das stimmt. Die sozialen Medien sind ein grausames Polit-Tribunal, darauf können wir uns einigen. Ein falscher Satz, ein Kilo zu viel, ein patscherter Auftritt vor Kameras – schon spuckt der Onlinemob Gift und Galle. Davon betroffen sind allerdings nicht bloß Frauen. Erinnert sich noch jemand an die Postings im Präsidentschaftswahlkampf vor sechs Jahren? Alexander Van der Bellen wurde als sterbenskranker Greis verunglimpft, über Norbert Hofer kursierten gruselige Behindertenwitze.

Männer kränken sich meist etwas weniger über untergriffige Beleidigungen; möglicherweise ist das der größte Unterschied. Auf der anderen Seite gilt auch sachliche Kritik schnell als sexistisch, wenn sie sich gegen eine Frau richtet. An männlichen Amtsträgern kann man sich leichter ungestraft austoben.

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