Andreas Kofler gewinnt erstmals in Kuusamo, Thomas Morgenstern landet auf Platz 2, Simon Ammann wird Dritter. Ernst Vettoris Einstand als Innauer-Nachfolger ist geglückt.
Kuusamo. Mit der Musik von Udo Jürgens kann der Stubaitaler Andreas Kofler nichts anfangen. Heavy Metal ist dem 26-Jährigen lieber, nur mit harten Gitarrenriffs schafft er es, sich auf einen Skisprungbewerb einzustimmen. Auch will er von Niederlagen und verdienten Siegen nichts wissen. Das Pech, das ihm bei Olympia 2006 widerfahren war, als ihm 0,1 Punkte auf Thomas Morgenstern und Gold fehlten, ist längst vergessen, sagt er.
In der Gegenwart besticht Kofler durch sicheres Auftreten und mit satten Absprüngen, makelloser Technik und weiten Flügen. Wie beim Weltcupauftakt in Kuusamo, den er mit Höchstweiten von 145,5 und 143,5 Metern vor Morgenstern für sich entscheiden konnte. Von einer Olympia-Revanche wollte Kofler auch nichts wissen. „Das ist Schnee von gestern. Dieses Wochenende war perfekt. Zuerst der Sieg mit dem Team, jetzt im Einzel – und ich spüre, dass ich noch besser springen kann.“ Dem Schweizer Simon Ammann sollte das zu denken geben. Ihm blieben nur Platz drei und die Erkenntnis, dass ein schiefer Bindungszapfen allein nicht mehr reicht, um die ÖSV-Adler zu verunsichern.
„Sicher nicht g'scheit reden“
Vollkommen entspannt hatte Neo-ÖSV-Direktor Ernst Vettori das Springen neben dem Schanzentisch verfolgt. Beim Nordic-Opening war der 46-Jährige zuvor noch umtriebig durch die Servicezonen gehuscht – schließlich war der Saisonauftakt auch der sportliche Beginn seiner Amtszeit.
Der Absamer könnte es an Wettkampfstätten zwar ruhiger angehen, schließlich ist er nicht mehr PR- oder Pressemann, und auch seinen Vorgänger und Mentor Toni Innauer sah man selten vor Bewerben noch an Wachscontainern vorbeischlendern. Die eigentliche Arbeit – Infrastruktur, Personal, Logistik etc. – muss ohnehin vorab längst erledigt sein. Vettori liegt es aber im Blut, er will helfen, Tipps geben. Wer weiß, vielleicht riskiert er sogar einen diebischen Blick in fremde Wachsstuben? Sein Einsatz ist grenzenlos, nur den Trainern werde er das Geschäft „sicher nicht neu erklären“, sagt er. „G'scheit reden“, nein, das lehnt der Tournee- und Olympiasieger ab, seit jeher.
„Er brennt wie ein Kachelofen“
Vettori grinst. Eine gewisse Aufregung, einen leichten Hauch von Nervosität, das leicht flaue, kribbelige Gefühl im Magen konnte er bei seinem Einstand nicht verbergen. Die Fußstapfen, die Innauer hinterlassen hat, sind schließlich groß. Auch Druck und die eigene Erwartungshaltung leisteten ihren Beitrag zu seiner inneren Verspannung. „Er brennt wie ein Kachelofen“, erkannte auch Adler-Trainer Alexander Pointner die Aufgeregtheit seines Vorgesetzten.
Als die Siege von Felix Gottwald und dem Adler-Team feststanden, atmete Vettori erstmals durch. Und als Andreas Kofler den Skisprungbewerb souverän für sich entschieden hatte, war Vettoris Glück endgültig besiegelt. Die Erfolgsserie setzt sich auch in der WM-Saison fort. Es wurde richtig gearbeitet, Material und Technik stimmen. Damit muss er sich keine dämlichen Fragen nach Innauer gefallen lassen oder Vergleichen mit seinem Vorgänger stellen.
Patschert stellte sich hingegen der Finne Harri Olli an. Der Skispringer wurde wegen einer offen zur Schau gestellten Geste mit dem Mittelfinger gegen die Jury für einen Weltcupbewerb gesperrt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2010)