Mein Montag

Im Herbst schlittern wir in eine tiefe Rezension

Eine Rezension ist mitnichten eine Phase des wirtschaftlichen Abschwungs.
Eine Rezension ist mitnichten eine Phase des wirtschaftlichen Abschwungs.Die Presse/Clemens Fabry
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Ein Buchstabe kann den Unterschied machen. Von der guten Mine bis zur Präsenslehrveranstaltung.

Wenn die Russen uns das Gas abdrehen, werden wir wohl gute Mine zum bösen Spiel machen müssen. Wobei eine Gasmine mitnichten ein Ort ist, an dem man Gas fördert, sondern ein mit Gas gefüllter Sprengkörper, mit dem flüssiger Kampfstoff, etwa Senfgas, versprüht werden kann. Das ist das Gemeine an der Mine, dass sie mehrere Bedeutungen haben kann. Neben dem Sprengkörper auch das Bergwerk, das etymologisch vom keltischen Wort für Erz oder Erzgang herrührt. (Und das im französischen Wort mine auch zum Pulvergang oder zur Sprenggrube wurde – daher die militärische Bedeutung.) Auch die Mine, die in Kugelschreibern oder Bleistiften die Farbe aufs Papier bringt, ist damit verwandt, möglicherweise vom französischen mine de plomb abgeleitet, dem Bleierz, das dann zur Bleistiftmine wurde. Und trotzdem, die eingangs erwähnte gute Mine ist ein Fehler – gemeint ist natürlich die gute Miene, also der Gesichtsausdruck. Der kommt auch vom französischen mine, nur mit einer anderen Bedeutung, die wohl vom bretonischen min entnommen ist, also Mund oder Gesichtszüge.

Ein Buchstabe kann den Unterschied ausmachen. Und es gibt ein paar besonders gemeine Fallen, in die wir tagtäglich Menschen tappen sehen. Eine Rezension zum Beispiel ist mitnichten eine Phase des wirtschaftlichen Abschwungs – das wäre die Rezession – sondern die kritische Besprechung einer Leistung, etwa eines Buchs oder eines Konzerts. Man kann jemandem die Reverenz erweisen, also Ehrerbietung. Eine Referenz wiederum ist ein Zeugnis oder eine Empfehlung, die man weniger erweisen als vorweisen können sollte. Und Präsenz ist die Anwesenheit, im weiteren Sinne auch die Ausstrahlung, während das Präsens die sprachliche Zeitform der Gegenwart ist. Aber das war Ihnen sicher ohnehin präsent, oder?

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2022)

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