Glosse

Mut ist keine Kunst für Österreichs Songcontest-Jury

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Die Ukraine bekam von Anrufern aus Österreich zwölf Punkte, von der Fachjury keinen einzigen.

Beim Eurovision Song Contest ist es noch nie nur um Musik gegangen. Genauso gut könnte man darauf beharren, dass Weihnachten ein christliches Fest aus Anlass der Geburt Jesu sei, und den ganzen kommerziellen Zauber rundherum ausblenden. Beim Songcontest geht es um Inszenierung, um Zeitgeist und um Allianzen. Ein einziges Mal bisher hat Österreich mit der Entsendung von Conchita Wurst alles richtig gemacht – und auch damals war der Sieg nicht der Musik geschuldet, sondern dem gerade stark anschwellenden Thema der Geschlechteridentität.

Wie Zuseher Punkte vergeben, ist manchmal der alten Heimat geschuldet – Serbien etwa kann sich immer auf Punkte aus Österreich freuen. Andererseits würdigt die Songcontest-Community besondere Persönlichkeiten (etwa Israels Netta, 2018), liebt berührende Geschichten (herzkranker Portugiese, Salvador Sobral, 2017) oder einen einfach guten Song.

Die Fachjury, die nun zu 50 Prozent zur Wertung beiträgt, sollte das gegenseitige Zuschieben von Punkten einbremsen und die musikalische Qualität der Musik heben. Da die Emotion der Zuseher, dort das kühle Urteil der Fachleute. Nichts bleibt aber kühl, wenn ein grausamer Angriffskrieg gegen ein Land der ESC-Gemeinschaft tobt. Klar, der Sieg der Ukraine war sozusagen unausweichlich. Zu wichtig war die öffentliche Botschaft an Moskau, dass es hier um „einen von uns“ ging, dass der Mut der Ukraine belohnt werden sollte. Der Folkore-Rap des Kalush Orchestra war darüber hinaus eine klare Botschaft der kulturellen Eigenständigkeit. Das hätte die österreichische Jury anerkennen können, es musste ja nicht die Höchstpunktezahl sein.

Man hatte den Eindruck, die Jurymitglieder hatten sich einen bunten Abend gemacht, ein wenig gefachsimpelt und sich dann nicht beirren lassen von allem, was rundherum so geschah. Die Jury hat sich also so verhalten, wie man sich hier offenbar am besten fühlt: neutral. Kein Wunder aber auch, dass Österreich selbst in den vergangenen Jahren kaum Punkte bekommen hat. Es dürfte nicht an der Musik liegen.

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