Museumsquartier

Escape Room: Kein Entkommen aus der Armut?

Die Presse/Clemens Fabry
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Mit „Escape Poverty“ hat die Künstlerin Deborah Sengl ihren zweiten Escape-Room geschaffen. Besucher erleben auf spielerische Art, was es heißt, arm zu sein. Und wie schwer es ist, aus dieser Situation auszubrechen.

Wien. Nein, es ist kein Studentenzimmer im Ikea-Schauraum. Auch wenn es die billigen Möbel, die möglichst platzsparend in dem kleinen Raum angeordnet wurden, im ersten Moment vermuten lassen. Aber dafür ist das Zimmer viel zu karg. So gar nicht farbenfroh, wie man es aus dem Einrichtungshaus kennt.

Bloß die zwei gebrauchten Kinderschultaschen und die Billie-Eilish-Poster an den Wänden sorgen für ein bisschen Leben. Hätte die Sängerin nicht einen Rehkopf – der, wenn es nicht schon der restliche Raum geschafft hat – ein beklemmendes Gefühl erzeugt. Das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht so sein sollte, wie es ist.

Das, was nicht sein soll, ist die Kinderarmut. „Escape Poverty – Armut ist kein Kinderspiel“ heißt das jüngste Projekt der Künstlerin Deborah Sengl, das am Dienstag im Museumsquartier (zwischen dem Café Halle und dem Glacis-Beisl) startet. Bereits zum zweiten Mal hat Sengl damit einen Escape-Room gestaltet, diesmal in Kooperation mit der Volkshilfe.
Mit dem populären Freizeitspiel, bei dem Besucher Rätsel lösen und so aus einem verschlossenen Raum entkommen müssen, hat Sengl sich vor drei Jahren dem Thema Flucht gewidmet, nun sollen Besucher spielerisch erleben können, was es heißt, arm zu sein.

Besucher müssen sich mit den Kosten des Alltags auseinandersetzen. „Und plötzlich geht etwas kaputt“, erzählt Sengl. Dann stehen die Besucher vor dem Rätsel: Wie soll ich das noch bezahlen?
Hat man es einmal geschafft, alle nötigen Infos für die Mindestsicherung zusammenzusuchen, geht es weiter in den nächsten Raum. Wände voller schwarzer Ordner auf der einen Seite, ein Schreibtisch auf der anderen. Dahinter sitzt – in typischer Sengl-Manier – ein Beamter mit Menschenkörper und Hundekopf. Er sieht dem Beamten aus dem ersten Escape-Room Sengls verblüffend ähnlich. Ob er vom Asyl- ins Sozialamt befördert wurde?

„Escape Poverty“, das zusammen mit dem Escape-Room-Profi Time Busters entwickelt worden ist, sei noch spielerischer, noch niederschwelliger angelegt als das erste Spiel, sagt Sengl. Letzteres sei vor allem von Menschen aus dem Sozialbereich besucht worden, also jenen, die ohnehin schon Berührungspunkte hätten. „Ich will die Massen erreichen“, sagt Sengl.

Jedes fünfte Kind arm

Schließlich geht es um ein Problem, das viele betrifft, auch in Österreich: Mehr als jedes fünfte Kind leidet hierzulande unter Armut – 2021 waren es 368.000 Kinder und Jugendliche, rechnet die Volkshilfe vor. Was das bedeute? „Da müssen sich die Eltern entscheiden, ob sie dem Kind Unterrichtsmaterialien kaufen können oder eine Wurstsemmel“, schildert der Präsident der Volkshilfe Wien, Michael Häupl, die Auswirkungen von Kinderarmut in gewohnt anschaulicher Manier. Die Ungleichheit habe sich in den vergangenen Jahren verstärkt, sagt der Ex-Bürgermeister. „Die Angst vor der Armut kriecht in die Mittelschicht.“

Dennoch werde Armut kaum thematisiert, sagt Volkshilfe-Geschäftsführerin Tanja Wehsely im Gespräch mit der „Presse“. „Den Menschen wird das Gefühl gegeben, selbst schuld an ihrer Situation zu sein. Sie werden unbewusst kleingehalten und das wird internalisiert.“ Das sei bereits bei Kindern zu beobachten, die lernen würden, möglichst nicht aufzufallen. Oder die sich einreden, ohnehin nicht auf den – unbezahlbaren – Schulausflug fahren zu wollen.

Die Presse/Clemens Fabry

Die Volkshilfe fordert in einer Petition eine Kindergrundsicherung und damit 200 Euro zusätzlich für jedes Kind. Derzeit stehen armutsgefährdeten Kindern maximal 425 Euro zu. Damit würden aber die Bedürfnisse eines Kindes – neben materiellen Grundbedürfnissen kommen auch soziale, kulturelle und gesundheitliche hinzu – nicht gedeckt werden können, so Wehsely.

Das Rätsel Bürokratie

Abgesehen vom Geld seien aber auch die vielen bürokratischen Hürden ein Problem, sagt Wehsely, die eine Entbürokratisiserung bei Sozialhilfe und Co. fordert. „Es gibt viele Leistungen für arme Menschen.“ Das System zu durchschauen sei oft enorm schwierig.
Davon erzählt auch der Escape-Room, der für drei Jahre angesetzt ist und für 25 Euro pro Person bei Time Busters (01/3820003) gebucht werden kann. Nur wer den richtigen Ordner aus Hunderten findet, dessen Antrag auf Mindestsicherung hat eine Chance, akzeptiert zu werden, der hat somit das Spiel geschafft. „Es geht aber weniger ums Gewinnen“, sagt eine Mitarbeiterin, als um die Erfahrung, was es heißt, arm zu sein. So kann man zwar aus dem Raum entkommen, aus der Armut selbst ist das weitaus schwieriger.

„Escape Poverty"

Ab 17. Mai im Museumsquartier (Aufgang zwischen Café Halle und Glacis Beisl)

Buchbar für Gruppen bis 6 Personen, 25 Euro/Person unter time-busters.at oder 01/3820003

Zur Petition Kinderarmut abschaffen der Volkshilfe

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