Gastkommentar

Also wenn das nicht Apartheid ist?

In der Frage der Herkunft ankommender Flüchtlinge zeigt sich in Österreich eine eklatante Ungleichbewertung.

Zum Autor:

Rainer Stepan, ehemaliger langjähriger Mitarbeiter von Alois Mock, Alfred Maleta und Andreas Khol; später in leitenden Funktionen u. a. in der Diplomatischen Akademie tätig.

Wieweit die Ankündigungen von Bundeskanzler Karl Nehammer zur Umverteilung des Gewinns von staatsnahen Unternehmen aus der aktuellen Teuerungswelle zumindest für die Betroffenen schon einen Paradigmenwechsel von türkis zu christlichsozial bedeutet, oder aber wieder nur eine populistische Inszenierung darstellt, bleibt abzuwarten.

Tatsache hingegen ist, dass die „Aktion scharf“, mit der man seitens des Innenministeriums der neuen Zuwanderungswelle aus dem Nahen und Mittleren Osten an den Grenzen zur „Bekämpfung des Schlepperunwesens und des Sozialschmarotzertums“ begegnet, eine Pauschalverurteilung, ja Kriminalisierung von Flüchtlingen aus den eben erwähnten Regionen darstellt. Und das im Kontrast zur offiziell zur Schau gestellten humanitären Einstellung gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine.

Letzteres ist ja zu begrüßen, auch wenn die „gesamteuropäische Solidarität“ schon die Gesichtszüge unserer türkisen Politiker gegenüber dieser Flüchtlingswelle psychologisch sehr in Anspruch nimmt, um „humanitäre Gesinnung“ zu zeigen.

Gern wird heute übersehen, dass gleichzeitig mit der offenen Aufnahme von flüchtenden Ukrainerinnen und ihrer Kinder seit Jahren in Griechenland hinter hohen Zäunen ebenso Familien mit Kleinkindern in ihren eigenen Fäkalien, im Dreck ohne Hoffnung auf Verbesserung dahinvegetieren; dass da Kinder akut selbstmordgefährdet sind.

Zurück ins Elend

Nicht viel besser die Flüchtlingssituation im bettelarmen Bosnien und Herzegowina: Kroatische Grenzer rauben sie regelmäßig aus und jagen sie „abgeräumt“ in ihr Elend zurück. An der bulgarischen wie griechischen Grenze werden Flüchtlinge von Grenzbeamten geschlagen; in Griechenland landen manche Flüchtlinge unschuldig in Gefängnissen. Verdrängt wird, dass es Putins Russland war, das gemeinsam mit dem verbrecherischen Assad-Regime in Syrien ganze Städte wie Aleppo, Homs, etc. in Schutt und Asche gebombt hat. Ausgeblendet wird, dass der türkische Staatschef, Recep Tayyip Erdoğan, die Kurden in Syrien und im Irak blutig verfolgt, die zuvor aber noch gut genug waren, um mitzuhelfen, die Terrororganisation Islamischer Staat auszuschalten.

Taliban war nie zu trauen

Ähnlich die Situation in Afghanistan, aus dem sich im vergangenen Sommer die Amerikaner und Westeuropäer fluchtartig verabschiedet haben – wohl wissend, was sich jetzt tagtäglich bestätigt: dass den Versprechungen der Taliban nicht ein Wort zu glauben ist. Nur gibt es in diesen Regionen nicht nur einen Aggressor wie in der Ukraine, sondern unzählige. Für oder gegen wen hätten die jungen Männer dort kämpfen sollen? Keine Stammeskriege wie in Libyen, wo Flüchtlinge auf dem Sklavenmarkt verkauft werden.

Bundeskanzler Nehammer antwortete auf die Frage der Ungleichbewertung von Flüchtlingen: „Das ist etwas ganz anderes. Aus dem Nahen Osten kamen Flüchtlinge, die schon durch sichere Staaten gekommen sind, und außerdem weniger Familien, sondern mehr junge Männer.“

Auch ukrainische Flüchtlinge haben sichere Staaten „durchlaufen“, bevor sie in Österreich ankamen. Aber warum werden die aus der Ukraine geflüchteten Nichtukrainer anders behandelt als die ukrainischen Staatsbürger und landen in Österreich mitunter sogar völlig unbescholten in Gefängnissen?

Also, wenn das nicht Apartheid ist, was dann?

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.