Kritik

So zurückhaltend kennt man Igor Levit gar nicht

Der Pianist und Tenor Simon Bode waren mit einem Schubert-Klassiker und einem raren Britten im Musikverein.

Die Stimmung eines Novemberabends, eine mitternächtliche Bahnreise, ein skurriles Zusammentreffen zwischen einer Bachstelze und einem Baby, der unerfüllte letzte Wunsch eines Chorleiters, das Gezwitscher selbstbewusster Vögel und ein Sinnieren über das Leben davor und danach: Alles das (und noch ein bisschen mehr) behandelt die achtteilige Liederreihe „Winter Words“ von Benjamin Britten. Der mit dem Komponisten eng befreundete englische Tenor Anthony Rolfe Johnson war der Erste, der dieses Anfang der 1950er Jahre entstandene Opus 1989 im Musikverein aufführte. Nun widmete sich ihm ein junger deutscher Tenor: der 1984 in Hamburg geborene Simon Bode, mittlerweile unter den meistgefragten Opern-, Oratorien- und Liedsängern seiner Generation.

Igor Levit war sein höchst prominenter Begleiter – und wohl auch der Grund, warum man als Aufführungsort den für Liederabende wenig geeigneten Großen Saal gewählt hatte. In einem intimeren Ambiente hätte Bode gewiss weniger forcieren müssen, seine kantablen Stärken deutlicher ausspielen und mit der Leuchtkraft seiner Höhen mehr brillieren können. Am meisten störte die Uniformität seiner Darstellung, wodurch der unterschiedliche Charakter der einzelnen Lieder diminuiert wurde. Dabei hätte er sich nur von der formalen Vielfalt leiten lassen müssen, mit der Britten die Texte des sozialkritischen englischen Dichters Thomas Hardy so pointiert, hintergründig, zuweilen mit typisch britischem Understatement umgesetzt hat.

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