Nachlass

Ein Roboter für Alban Bergs Bücher

APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Die umfangreiche Bibliothek des Komponisten wird nun gescannt. Seine Randglossen machen die digital archivierten Seiten zu wertvollen Zeitdokumenten.

Eines der Nervenzentren der Wiener Moderne ist die Wohnung des Komponisten Alban Berg in der Hietzinger Trauttmansdorffgasse. Seit Kurzem arbeitet dort ein Roboter. Genauer, eine fein justierte hochkomplexe Kopiermaschine, die von Absolventen der Wiener TU entwickelt wurde, um Bücher zu scannen. Und zwar so denkmalschützerisch-schonend wie irgend möglich. Den Bibliothekaren ist es möglich, den sensiblen „ScanRobot“ des Wiener Start-ups Treventus von Buch zu Buch minutiös einzustellen. Die Saugautomatik, die fürs Umblättern sorgt, nimmt dann punktgenau auf die Papierqualität Rücksicht. Ist das einmal geschehen, bewältigt das Gerät Tausende Seiten täglich.

Für die Alban-Berg-Stiftung, die in der Wohnung den Nachlass verwaltet, geht damit die Digitalisierung und Restaurierung der Bibliothek in die Endphase. Die vielen Fotos und Schallplatten Bergs sind bereits gesichtet und digital geordnet. Dazu gibt es auch bereits erste Publikationen. Nun sind die Bücher an der Reihe – und das ist eine Aufgabe, die sich wohl trotz der Geschwindigkeit des Roboters über zwei Jahre erstrecken wird. Denn Alban Berg war ein Vielleser und hat auch seine Bücher fleißig mit Randglossen versehen.

Amüsante Entdeckungen

Das macht die Scan-Arbeit für die Musik- und Kulturwissenschaft umso wertvoller. Bergs Anmerkungen sind auch Zeitdokumente von Rang. Dabei macht man amüsante Entdeckungen. Etwa dass Berg offenkundig Otto Weiningers „Geschlecht und Charakter“ genau gelesen hatte und neben die Überschrift: „Die emanzipierten Frauen“ gleich sechs Rufzeichen setzte.

Da auch vieles vom Briefwechsel bereits publiziert wurde, und dank der mühevollen Dechiffrierarbeit von Herwig Knaus sämtliche in der Nationalbibliothek gesammelten Aufzeichnungen gedruckt greifbar sind, kommt den digitalisierten Buchseiten nun der Rang eines Schlusssteins in der Aufarbeitung des Nachlasses zu.

Daniel Ender leitet die Arbeiten. Er erklärt: „Wir möchten das Netzwerk von Bergs künstlerischem Denken mit diesem Projekt rekonstruieren. Kernaufgabe der Stiftung ist ja die Pflege des Andenkens und der Werke. Der Erhalt unserer Bestände gehört maßgeblich dazu.“ Für die Forschung wird am Ende eine gigantische Datenbank zur Verfügung stehen, die als Schnittstelle für die Homepage der Berg-Stiftung zur Verfügung steht.

„Die langfristige Erhaltung der Bibliothek mit ihren 3500 Objekten ist damit sichergestellt, physisch und digital“, sagt Ender. Denn nach dem Scan werden die Bücher liebevoll restauriert. Nebenher läuft der musikwissenschaftliche Betrieb auf Hochtouren. Soeben wurde der erläuternde Textband zur kritischen Neuausgabe eines der wichtigsten Werke Bergs vorgestellt: des Violinkonzerts.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.