Die Skandinavier geben ihre Bündnisfreiheit auf. Einer der größten sicherheitspolitischen Einschnitte in der Geschichte Europas - was hat ihn ausgelöst?
Es geht Schlag auf Schlag. Finnland und Schweden drängen blitzartig in die Nato. Am Montag traten die Parlamente der beiden skandinavischen Staaten zusammen, um den historischen Schritt zu debattieren: das Ende ihrer Bündnisfreiheit. Im Stockholmer Reichstag sprach sich eine klare Mehrheit für einen Beitritt zur transatlantischen Allianz aus. „Wir verlassen eine Ära und treten in eine neue ein“, sagte danach die sozialdemokratische Premierministerin Magdalena Andersson. Noch diese Woche könnten Schweden und Finnland ihre Aufnahmeanträge stellen. Bis alle 30 Nato-Mitgliedstaaten die Erweiterung ratifiziert haben, können noch ein paar Monate vergehen. Doch was treibt die beiden Nordländer überhaupt in die Nato?
1. Die Bedrohung
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fühlen sich auch Finnland und Schweden verwundbar. Sie erleben den Völkerrechtsbruch aus nächster Nähe und fürchten, dass ihnen als bündnisfreien Nachbarländern ein ähnliches Schicksal blühen könnte. Das nordische Duo bewertet den Angriffskrieg als einen Anschlag auf die gesamte Sicherheitsordnung in Europa und zieht eine Linie, die sich vom Georgien-Krieg 2008 über die Krim-Annexion und die separatistisch-militärische Destabilisierung in der Ostukraine bis in die Gegenwart und möglicherweise noch weit in die Zukunft erstreckt. Im Bericht der Arbeitsgruppe, auf dessen Grundlage Schweden nach mehr als 200 Jahren Bündnisfreiheit in die Nato strebt, heißt es, dass mit einer „langfristigen und strukturellen Verschlechterung der Sicherheitslage in Europa“ zu rechnen sei.