Anzeige
Krisenmanagement

Es ist an der Zeit, die Opferrolle abzulegen

Klaus Pöttinger fordert, dem Staat Druck zu machen, endlich Verantwortung zu übernehmen und institutionelles Lernen zu verankern.
Klaus Pöttinger fordert, dem Staat Druck zu machen, endlich Verantwortung zu übernehmen und institutionelles Lernen zu verankern. (c) Pöttinger
  • Drucken

Krisenmanagement. Klaus Pöttinger übt sich als Mindset-Changer und packt das Übel an der Wurzel: Der Wirtschaftsstandort Österreich benötigt mehr Leistungsbereitschaft und eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung.

Zweifellos gibt es momentan mit Coronapandemie, Materialengpässen, Lieferkettenschwierigkeiten, Inflation sowie dem Russland/Ukraine-Konflikt zahlreiche Herausforderungen, die von der Industrie gemeistert werden müssen, aber Klaus Pöttinger, ehemaliger langjähriger IV-OÖ-Präsident, sieht vor allem zwei Krisen, die den Wirtschaftsstandort Österreich gefährden. „Das erste Problem nenne ich fehlende Leistungsbereitschaft der österreichischen Bevölkerung. Die Sozialtransfers sind mittlerweile so stark ausgebaut, dass es vielen Menschen attraktiver erscheint, nicht zu arbeiten. Das ,Lexikon‘ an Sozialleistungen umfasst über 450 Seiten. Dieses Angebot führt zu einer Verhaltensänderung der Menschen.“ Der Landtechnikunternehmer kritisiert, wie die öffentliche Debatte darüber geführt wird. „Es wird nur darüber diskutiert, wer das größte Opfer der jeweils vorherrschenden Umstände ist. Mir fehlt die Diskussion, wer dazu beiträgt, die widrigen Umstände zu überwinden? Die Opferrolle ist natürlich bequemer. Man richtet den Blick auf den Staat und die Politik ist jederzeit bereit, mit Ausgleichsleistungen einzugreifen. Das unterminiert die Leistungsbereitschaft in einem Land natürlich dramatisch.“

Die zweite Krise, die der gebürtige Grieskirchner sieht: Die Handlungsunfähigkeit des Staates, vor allem bei der Digitalisierung. „Ich vermisse jegliche Digitalisierungsoffensive. Man liest höchstens Schlagzeilen, aber man sieht keine echten, wirkungsvollen Taten. Unser Land braucht eine durchgreifende Digitalisierungsinitiative, dann kämen wir voran.“ Gerade die Coronapandemie habe uns deutlich vor Augen geführt, wie diffus die Zuständigkeiten in den staatlichen Strukturen seien. „Wer übernimmt Verantwortung?“, fragt Pöttinger und wünscht sich eine notwendige Diskussion über erstarrte staatliche Strukturen.

Staatsausgaben senken

Die Staatsausgaben sind 2021 im Vergleich zu 2020 um 4,4 Prozent (bzw. 9,4 Milliarden Euro) gestiegen, Die Staatseinnahmen erhöhten sich um 8,7 Prozent (bzw. 16,1 Milliarden Euro). In Relation zum BIP ist die Staatsausgabenquote somit gesunken und die Staatseinnahmenquote gestiegen. Kommt man da nicht in Versuchung, die Regierung zu loben: Alles richtig gemacht? „Gemessen an den Umständen kann man tatsächlich kaum Kritik üben“, gibt sich Pöttinger im ersten Moment gnädig, holt aber im nächsten Augenblick zum Rundumschlag aus: „Was ich dem Staat ankreide, ist, dass er für grundlegende Reformen keine Initiativen setzt. In vielen EU-Ländern haben sich institutionelles Lernen und interkommunaler Leistungsvergleich bestens bewährt, um Effizienzgewinne in öffentlichen Strukturen zu bewerkstelligen. Bei uns werden diese Instrumente völlig vernachlässigt.“

„Im Verständnis der Verwaltung des 19. Jahrhunderts war die Verwaltung ein Reformtreiber. Heute ist sie eher das Gegenteil.“ Vergleicht man die österreichische Verwaltung mit anderen EU-Ländern, zeigt sich, dass wir in den unterschiedlichen Bereichen wie Gesundheitssystem eine gute bis durchschnittliche Qualität, in Bereichen wie Schule sogar nur eine mangelhafte Qualität, aber parallel dazu weit überdurchschnittliche Kosten vorfinden. Als Vorbild sieht der Unternehmer Länder wie die Schweiz oder auch Skandinavien, in denen man mit deutlich weniger Staatsausgaben auskommt, aber trotzdem hohe soziale Standards hat.

Zur Person

Klaus Pöttinger, geboren 1958 in Grieskirchen, studierte Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau in Graz. Ende der 1990er absolvierte er das OPM-Programm (Organizational Project Management) der Harvard Business School in Boston/USA. Klaus Pöttinger ist Eigentümer des oberösterreichischen Landtechnikherstellers Pöttinger sowie Geschäftsführer der Green-Tech-Tochter Pöttinger Entsorgungstechnik. Von 2004 bis 2013 agierte Klaus Pöttinger als IV-OÖ-Präsident sowie zusätzlich einige Jahre als IV-Vizepräsident.

Ideen zulassen

„Enttäuschend ist, dass viele gute Ideen nicht aufgegriffen werden“, weiß Pöttinger noch aus seiner aktiven Zeit als IV-OÖ-Präsident. „Es gab erfolgreiche Ansätze für Vorschlagswesen, aber bei jedem Regierungswechsel wurden brauchbare und teilweise sogar schon prämierte Ideen wieder zu Grabe getragen.“ Pöttinger ist ein großer Verfechter des Vorschlagswesens. In seinem eigenen Unternehmen sind die Mitarbeiter aufgerufen, regelmäßig Vorschläge einzubringen. „So etwas im öffentlichen Dienst verankert, würde jährlich ein halbes Prozent vom BIP einsparen“, ist Pöttinger überzeugt.

»„Glücklich ist, wer vergisst, dass auf der Medaille mit dem Namen Wohlstand, auf der einen Seite freie Wahl, auf der anderen Seite Wettbewerb steht.“«

Klaus Pöttinger, Eigentümer Pöttinger Landtechnik

Er kritisiert auch die zunehmende Anzahl an Eingriffen in Preisbildungen und soziale Staffelung bei Gebühren. Etwa anhand des Handwerkerbonus. „Auf den ersten Blick wirkt die Förderaktion als vernünftige Maßnahme, aber bei genauerer Betrachtung ist es lediglich eine verstärkte Bürokratie. Zielführender wäre, die Lohn-Nebenkosten zu senken und keine neue Bürokratie zu schaffen.“ Hier vermutet Klaus Pöttinger die unaufgeklärte Meinung vieler Österreicher als Grundlage für die Effizienzverluste, die wir seit Jahren erleiden. Er hat eine kleine Anekdote bei der Hand: „Wenn in der Schweiz ein Bundeskanzler verkündet, dass die Banken eine Steuer zahlen müssen und eine Kommission wird überwachen, dass die Einlagenzinsen nicht weniger und die Kreditzinsen nicht höher werden, dann lacht der ganze Saal.“

Wohlstand & Wettbewerb

„Glücklich ist, wer vergisst, dass auf der Medaille mit dem Namen Wohlstand, auf der einen Seite freie Wahl und auf der anderen Seite Wettbewerb steht“, sagt Pöttinger und betont damit, dass Wettbewerb und Wohlstand immer untrennbar miteinander verbunden sind. Er sieht die Pflicht beim Finanzminister, dafür zu sorgen, den Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu intensivieren. „Weil erwiesen ist, dass sich Qualität und Produktivität in einem leistungsorientierten Umfeld verbessern. Das wirkt sich letztlich in weiterer Folge automatisch preissenkend für die Bürger aus.“ Dazu muss man wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für alle schaffen. Das wäre wesentlich effektiver als Einzelförderaktionen wie etwa Handwerker- oder Energiebonus. „Solche Maßnahmen fordern eine soziale Differenzierung. Führt das dann so weit, dass es an der Tankstelle für unterschiedliche Einkommen andere Preise gibt?“, stellt Pöttinger provokant in den Raum und würde einen Mindset-Change begrüßen. „Für den klassischen Österreicher verursacht der Begriff Wettbewerb automatisch ein unangenehmes Gefühl, weil man darunter Leistungsdruck versteht. Dabei kann es nur produktiv sein, wenn es zum Beispiel mehr Wettbewerb unter den Schulen gäbe.“

Fazit: Der Staatshaushalt braucht nachhaltige Reformen, keine kurzfristigen Maßnahmen. Klaus Pöttinger fordert in einem ersten Schritt eine klarere Zuordnung von Zuständigkeiten in Verantwortungen. „Vielleicht ist der gegenwärtige Russland/Ukraine-Konflikt mit seinen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft ein Ansporn, dass die Politik ihre Hausaufgaben macht. Es müssen endlich die Verwaltungskosten gesenkt werden, damit der Staatsanteil am BIP sinkt.“

oberoesterreich.iv.at

Information

Das Interview mit Klaus Pöttinger wurde finanziell unterstützt von der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ).


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.