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"X": Horror mit Höhepunkten

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Sieht so ein Sex-positiver Slasherfilm aus? Ti West spielt in „X“ die Parallelen zwischen dem Porno- und Horrorgenre aus. Das endet vor allem blutig.

Wäre Ti Wests „X“ in dem Jahr ins Kino gekommen, in dem er spielt, nämlich 1979, hätte er in den USA jene Alterseinstufung erhalten, die er im Titel trägt. Bis in die 1990er brandmarkte der Buchstabe vor allem Porno- und Horrorfilme als „nicht jugendfrei“. Was deren Verwertung zwar arg erschwerte, ihnen aber auch den Ruf des Verbotenen und damit umso mehr Begehrenswerten verlieh. Beide betont körpernahen Filmgattungen zeichnen sich durch das Fließen von reichlich Körperflüssigkeiten aus: Blut, Schweiß, andere Intimsäfte. „X“ nun macht sich einen Jux aus derlei Juxtapositionen, denen er in gewitzten Parallelmontagen (furcht-)erregenden Ausdruck verleiht.

Der Film führt eine Indie-Filmcrew (u. a. Mia Goth in einer entblößenden Doppelrolle) aus der Hipster-Hochburg Houston, Texas, in die als erzkonservativ geltende Einöde dieses Bundesstaates. Mitten in der Sumpfpampa quartieren sie sich ein – um einen Porno zu drehen. Ohne das Wissen des ihnen von Anfang an feindlich gesonnenen Gastgeber-Ehepaares.

Stets wurden Konflikte zwischen dem Urbanen und Ruralen im Hinterland-Horror auf extreme Weise ausgeschlachtet. Meistens fallen darin fortschrittliche Städter rückständigen Rednecks zum Opfer; in diesem Fall die Sexfilm-Truppe zwei Greisen. Diese werden mit übertriebenem Alters-Make-up und -Habitus wie Ekel-Zombies von gestern inszeniert. Dadurch wirkt es so, als feiere der erfahrene Horror-Regisseur West allein die Freizügigkeit der jungen Liberalen. Allerdings nur zum Schein: Schlägt sich der Film vorerst auf die Sex-positive Seite der Städter, so müssen diese dafür doch büßen – wie ein Pfarrer hier wiederholt aus der Fernsehröhre predigt.

Gewalt als Ersatzbefriedigung

Scheinbar büßen muss auch die „unschuldig“ in Szene gesetzte, scherzhaft so genannte „Kirchenmaus“ (Jenna Ortega). Sie gedenkt, statt hinter der Kamera auch einmal davor mitzuwirken. Das sei laut ihrem bestürzten Freund (Owen Campbell) jedoch unmöglich, weil sich die Story doch nicht einfach mittendrin ändern könne. In seinem Lieblingsfilm, entgegnet sie, sei das aber auch so: Die Rede ist von „Psycho“, wo uns die ikonische Duschmord-Szene urplötzlich aus einem Drama in einen Schocker katapultiert. Eine ähnliche Funktion hat in „X“ eine Sexszene mit der „Kirchenmaus“.

Mit der Spaltung der Story geht das Killen der Körper einher. Gehört die erste Hälfte noch dem Softcore-Porno, steht die zweite ganz im Zeichen von Hardcore-Horror. Der Alten Frust über die versagte Lust und verlorene Jugend bricht sich Bahn in einer Stichwerkzeug-intensiven Gewalteruption – Ersatzbefriedigung und Aphrodisiakum zugleich.

Die ersten in 1970er- und Südstaaten-Kolorit getränkten 50 Minuten bestechen durch doppeldeutige Bild- und Wortwitze rund um den Akt samt unheilvollen Anspielungen, was noch kommen mag (zum Beispiel eine Alligator-Attacke, effektvoll aus Vogelperspektive antizipiert). Im Rest des Films herrscht böser Ernst, im Soundtrack ominöses Hauchen und Stöhnen. Wer auf kluge Genre-Beobachtungen und Fleisch(wunden)beschau mit einschneidenden Spezialeffekten aus ist, verlässt den Kinosaal jedenfalls befriedigt.

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