Die Hochschülerschaft beklagt das Desinteresse der Regierung an den Studenten. Sie plagen finanzielle Sorgen und psychische Probleme. Das zeigt eine aktuelle Befragung.
Ruhig sind die Studierenden während der vergangenen von der Pandemie geprägten Semester gewesen. Sehr ruhig. Keine Spur von Großdemonstrationen oder Hörsaalbesetzungen. Auch von ihrer offiziellen Vertretung, der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), war nicht allzu viel zu hören. Nun will sie „den Lautsprecher, der die ÖH ist, um einiges lauter drehen“. So hat das die ÖH-Vorsitzende, Sara Velić (VSStÖ), am Dienstag formuliert.
Die linke Koalition – gebildet aus roten Studierenden des VSStÖ, grünen Studenten der Gras und Vertretern der Fachschaftslisten FLÖ – hat bei der Pressekonferenz einen Vorgeschmack darauf geliefert. „Auf die Regierung können wir uns nicht verlassen. Sie beschäftigt sich mit allem. Nur nicht mit uns“, sagte die stellvertretende ÖH-Vorsitzende Keya Baier. Das ist insofern durchaus ungewöhnlich, als Baier als grüne Studierendenvertreterin damit die eigene in der Regierung sitzende Partei kritisiert.
Ganz so wollte sie das auf Nachfrage nicht verstanden wissen. Es sei keine explizite Kritik an den Grünen. Immerhin sei das Wissenschaftsministerium in türkiser Hand. Allerdings gestand auch die Gras-Vertreterin, „dass die grüne Regierungsbeteiligung für Studierende nicht ausreichend hilfreich war“.
Job und Studium belasten
Hilfe würden die Studierenden durchaus brauchen. Das legt eine von der Hochschülerschaft angestoßene groß angelegte Umfrage nahe. Von Februar bis Mitte März nahmen insgesamt 28.101 Studierende an einer Befragung des Ifes-Institut teil. Die Ergebnisse zeigen deutlich Probleme auf.
Eine besondere Herausforderung für Studierende ist die Vereinbarkeit von Studium und Job. In Österreich sind 65 Prozent der Studierenden erwerbstätig. Im Durchschnitt arbeiten sie laut Studierendensozialerhebung 20,5 Stunden pro Woche. Für den Großteil ist es eine finanzielle Notwendigkeit.
Diese Doppelgleisigkeit ist für viele Studierende, wie die Umfrage zeigt, ein nicht unerhebliches Problem. Rund die Hälfte der berufstätigen Studierenden fühlt sich „sehr stark“ belastet (siehe Grafik). Ähnlich geht es Personen mit Betreuungspflichten. Auch für sie ist die Vereinbarkeit mit dem Studium schwierig.
Trotz häufiger Erwerbstätigkeit plagen die Studierenden auch finanzielle Sorgen. Konkret ist es für jede dritte Studentin bzw. jeden dritten Studenten schwierig, finanziell über die Runde zu kommen. „Das sind die Folgen einer Politik, die seit Jahren auf die Studierenden vergisst“, sagte die ÖH-Vorsitzende Velić am Dienstag. Daran ändere auch die heute, Mittwoch, im Nationalrat anstehende Reform der Studienförderung nur wenig. Dabei werden die auszuschüttende Beträge zwar angehoben. Aber die geplante Bezugsdauer sei, wie die ÖH-Chefin kritisiert, zu kurz für die reale Studiendauer, der Bezieherkreis zu klein und die Höhe weiterhin zu gering.
Vereinsamung als Problem
In den vergangenen Semestern war das Studentenleben (wie das Leben insgesamt) stark von der Coronapandemie geprägt. Zwar scheinen die Studierenden mit dem Corona-Management der Hochschulen gar nicht so unzufrieden zu sein. Im Schnitt vergeben sie die Schulnote 2,8 (Fachhochschulen und Privatuniversitäten schneiden hier besser als öffentliche Hochschulen ab). Allerdings beweist auch diese Umfrage die bereits viel zitierte hohe psychische Belastung der Studierenden.
Sieben von zehn Studierenden hat die soziale Distanz „stark belastet“. 58 Prozent sind bzw. waren von Vereinsamung betroffen. Einmal mehr fordert die ÖH deshalb den weiteren Ausbau der psychologischen Studierendenberatung.
Mangelndes Interesse an ÖH
Nicht ganz so offen ging die ÖH-Spitze mit den Umfragedaten zur eigenen Performance um. Die gab es nur auf Nachfrage. Das mag mit so manchem Ergebnis zu tun haben. So weiß mehr als ein Drittel der Studierenden gar nicht so genau, was die ÖH eigentlich macht.
Die historisch niedrige Wahlbeteiligung von 15,7 Prozent bei der Wahl im Vorjahr erklären die Befragten mit Uninformiertheit, mangelndem Interesse und einem mühsamen Wahlvorgang. Ein Jahr hat die ÖH-Spitze nun Zeit, um die Studierenden bis zur nächsten Wahl von der Sinnhaftigkeit der Stimmabgabe zu überzeugen.