Interview

"Ich kenne niemanden, der die neue TU in Linz braucht"

Kurt Koleznik hat keine Freude mit der neuen Digital-Uni in Linz. Das Geld dafür hätte man besser in die FH investiert, sagt er.
Kurt Koleznik hat keine Freude mit der neuen Digital-Uni in Linz. Das Geld dafür hätte man besser in die FH investiert, sagt er.(c) Die Presse/Clemens Fabry
  • Drucken

Kurt Koleznik, Generalsekretär der Österreichischen Fachhochschulkonferenz, über fehlendes Geld vom Bund für Forschung und Entwicklung, die neue TU und die Pflegereform.

„Die Presse“: Das aktuelle CHE-Ranking zeigt eine hohe Zufriedenheit der FH-Studierenden. Sind die FH besser durch die Pandemie gekommen als Unis?

Kurt Koleznik: Trotz Corona haben wir ein unglaublich gutes Feedback überall dort bekommen, wo es um Studienservice ging. Ich habe von Unis gehört, wo es große Unzufriedenheit gab. Wir haben mehr Flexibilität, weil wir viel kleinere Gruppen haben. Da kann man sich beim Distance-Learning schneller und leichter absprechen.

Der Bund gab 2017 das Ziel aus, dass mittelfristig rund ein Drittel aller Studenten an FH studieren soll. Aktuell sind es 15 Prozent.

Wir haben inzwischen eine Regierung, die diese Zahlen gar nicht mehr kennt und sich auch nicht daran gebunden fühlt. Aber wir brauchen pro Jahr mindestens 1200 neue Studienbeginner.

Derzeit studieren rund 58.000 Studierende an einer FH. Um wie viel steigt die Zahl der Studienanfänger pro Jahr?

Aktuell steigt die Zahl um 325 pro Jahr. Das ist ein Drama. Wir bekommen 8,7 Prozent des gesamten Budgets, mehr als 90 Prozent gehen an Unis. Ich will kein Uni-Bashing betreiben. Aber wenn man sagt, wir brauchen Fachkräfte, dann muss man bei uns FH etwas tun.

Die Forschung ist eine Baustelle, für die Sie Geld vom Bund fordern. Wieso?

Wir betreiben keine Grundlagenforschung, sondern kooperieren mit Unternehmen oder im Rahmen eines FWF- oder FFG-Projekts. Für diese Zeit gibt es Geld. Danach nicht mehr. Die Unis sind hingegen durchfinanziert. Bei uns ist der Gap zwischen zwei Förderungen nicht finanziert. Es ist immer sehr ungewiss, wie man weitermacht. Es wäre die Aufgabe des Bundes, dass wir von einer Förderung zu einer kontinuierlichen Finanzierung kommen, die den Forscher unabhängig werden lässt. Am Ende stehen wir auch in einem Wettbewerb mit den Unis. Ein junger Forscher will PhD-Möglichkeiten. Die gibt es bei uns nicht.

Wieso können die Länder nicht mehr Geld beisteuern?

Dieses Argument höre ich oft. Der Erhalter, etwa ein Land oder eine Gemeinde, ist für das Gebäude und die Infrastruktur zuständig. Aber der Bund, der am Ende für die Ausbildung eines Absolventen zuständig ist, kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen, was die Forschung betrifft. Eine Hochschule, die nicht forscht, ist eine Schule.

Braucht es eine spezielle Vereinbarung mit dem Bund für Forschung und Entwicklung?

Man könnte andenken, dass beispielsweise alles, was der Erhalter, also das Bundesland, die Stiftung oder die Gemeinde zuschießt, verdoppelt wird. Es geht um die Erfüllung der Aufgaben der FH, die sie für Forschung und Entwicklung haben. Sie sollen einen unmittelbaren Fußabdruck in der Wirtschaft und der Gesellschaft hinterlassen.

Sind Sie mit Wissenschaftsminister Polaschek in Kontakt?

Ja, wir haben ihm die Broschüre mit unseren Forderungen gegeben. Aber wir bekommen bei Forschung und Entwicklung eher das Signal, dass man nicht zuständig sei. Man sollte aber gerade hier etwas tun und nicht die Verantwortung von A nach B schieben. Die Zeit läuft uns davon.

In dem Kontext kritisieren Sie auch die neue TU in Oberösterreich. Was stört Sie daran?

Sie ist ein Hybrid, ein Zwitterwesen zwischen Uni und FH. Das wird quasi eine Uni, die anwendungsorientiert forscht bzw. eine FH mit Doktorat. Beide Modelle könnte man einfacher haben, indem man Bestehendes adaptiert. Es ist typisch österreichisch. Ich kenne niemanden, der diese Uni braucht. Das Geld hätte man auch nehmen können, um die Forschung der FH auszufinanzieren.

Bis 2030 fehlen Österreich rund 100.000 Pflegekräfte. Seit 2017 bieten die FH die akademische Schiene des Berufs an. Kann die Pflegereform – in der Ausbildung soll man rund 600 Euro monatlich verdienen – die Absolventenzahlen erhöhen?

Die Not macht erfinderisch. Was wir nicht wollen, ist eine Rückkehr in das alte System. Die Pflegeschulen können noch bis 2027 ausbilden und laufen dann aus. Das soll so durchgezogen werden. Doppelgleisig zu fahren wäre in jedem Fall schädlich für das Berufsbild.

Wie viele Absolventen können die FH pro Jahr im Idealfall ausbilden?

Im Studienjahr 2020/21 waren es 2735 Absolventen und Absolventinnen. Aber der Flaschenhals sind nicht die FH, sondern die Interessierten.

Der Klimawandel ist eine weitere, große Herausforderung. Wie kann man den Fachkräftemangel, der den Ausbau von Erneuerbaren erschwert, lindern?

Da gehören neue Berufsbilder entwickelt. Da sind wir dran. Wir haben 70 Studiengänge, die sich nur mit diesen Themen beschäftigen. Das geht leider immer ein bisschen unter. Diese neuen Berufe entstehen bei uns.

Stimmt das Versprechen, dass in diesem Bereich viele neue Jobs entstehen werden? Oder werden lediglich Jobs, die wegfallen, substituiert?

Wir werden notwendigerweise viele neue Jobs in noch unbekannten Bereichen kreieren müssen. Um Verbrennungsmotoren muss man sich heute nicht mehr großartig kümmern. Gerade jetzt müsste es eine Allianz geben zwischen FH und Unternehmen, damit mehr Ausbildung an FH kommt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.