Richterpräsidentin warnt

Prekäre Situation in der Justiz: Zu wenige geeignete Bewerber

Sabine Matejka
Sabine Matejka Die Presse, Clemens Fabry
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Richterpräsidentin Sabine Matejka zeigt sich anlässlich der Richterwoche besorgt über den Vertrauensverlust in die Justiz und die vorherrschende Personalkrise.

Die Justiz steht vor zwei großen Problemen: Das Vertrauen in die Rechtsprechung sinkt und die Personalsituation ist "zunehmend prekär", warnt Richterpräsidentin Sabine Matejka. Budget gebe es jetzt zwar mehr, aber zu wenig Bewerber. Es gelte also, die Struktur zu ändern. An die Politik appellierte sie, die "Kollateralschäden" der ständigen Auseinandersetzungen über einige wenige brisante Causen zu bedenken. Das zeichne ein "verzerrtes Bild" und gefährde das Vertrauen.

Die Debatten über "Pilnacek, die WKStA und Ermittlungen gegen diverse Politiker" beträfen zwar nur einen "sehr sehr kleinen Ausschnitt" der Rechtsprechung. Aber die politische Auseinandersetzung "mit all ihren Nebengeräuschen" bewirken einen generellen Vertrauensverlust. Laut einer im "profil" im April veröffentlichen Umfrage hatten gerade noch 51 Prozent Vertrauen in die Justiz, 27 Prozent "eher geringes" und 15 Prozent sogar "sehr geringes".

„Verzerrtes Bild“

Im Fokus von Politik, Medien und damit der Öffentlichkeit stehe aber nur ein Bruchteil dessen, was die Justiz leiste. "Ein durchschnittlicher Bürger ist in der Regel nicht von WKStA-Ermittlungen betroffen und im Strafverfahren nur Zeuge. Wenn er mit Gericht zu tun hat, dann in Zivil- und Verwaltungsverfahren." Dort erbringe die Justiz unverändert gute Leistungen, stehe auch in Rankings immer weit oben. In der Öffentlichkeit werde das aber kaum wahrgenommen, bedauerte die Präsidentin der Richtervereinigung im Gespräch mit der APA anlässlich der Richterwoche.

Es gelte, das "etwas verzerrte Bild" wieder zurechtzurücken. Da sieht Matejka auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) in der Pflicht: Diese sei "gefordert, sich nicht nur um Aufklärung und Information in diesen wenigen Fällen zu bemühen, sondern vertrauensfördernde Maßnahmen für die gesamte Justiz anzustoßen". Die Ministerin sollte sich bemühen, stärker die anderen Teile der Justiz in den Fokus zu setzen.

Pensionierungswelle läuft an

Stärker in den Fokus nehmen solle die Justizverwaltung zudem die Personalsituation. "Wir haben bei den Richtern momentan ein massives Problem", berichtet Matejka. Anders als früher ruft die Standesvertretung aber nicht nach mehr Geld oder Posten. "Wir hätten genügend Mittel", auch für den nicht-richterlichen Bereich. Aber: Der Arbeitskräftemangel macht sich auch an den Gerichten bemerkbar. Stelle man sich darauf nicht - mit Systemänderungen - ein, "wird es unweigerlich zu Verfahrensverzögerungen kommen", warnt Matejka.

Die Abwanderung der letzten Jahren habe "massive Löcher aufgerissen", die Pensionierungswelle laufe an - und jetzt gebe es weder genügend Bewerber für die Kanzleien noch genügend Richteramtsanwärter oder gar ausgebildete Richter. Letzteres liegt vor allem an der früheren Sparpolitik, da konnten mangels Budget nicht ausreichend junge Juristen und Juristinnen in die Richterausbildung aufgenommen werden.

Und jetzt seien die Jobaussichten für Juristen generell - bei Rechtsanwälten, in der Wirtschaft oder der Verwaltung - gut. Wenn die Gerichtsbarkeit aufstocken will, "werden wir um jeden kämpfen müssen", meinte Matejka. Die Gerichtsbarkeit müsse sich darauf einstellen, dass man - wenn dann noch die Babyboomer-Generation in Pension geht - nicht alle Posten nachbesetzen kann.

„Aussicht Richter zu werden, ist wenig attraktiv“

Schon seit einem Jahr könnten externe Bewerber, aus dem Anwaltsbereich, mit einer kurzen Zusatzausbildung als Richter tätig werden, "aber das reicht auch nicht". Nötig seien organisatorische Maßnahmen, fordert Matejka, "die Richter für die Rechtsprechung freizuspielen". Ihre Vorschläge dazu: Junge Juristen könnten, wie am Bundesverwaltungsgericht, für ein paar Jahre als "juristische Mitarbeiter" Richter unterstützen. Und: Die Kanzleien müssten aufgewertet werden - man sollte ihnen mehr Aufgaben übertragen und sie dafür auch besser entlohnen.

Damit würden nicht-richterliche Jobs interessanter, auch für Bewerber - und Richterposten attraktiver. Denn "die Aussicht, Richter zu werden, ist wenig attraktiv, wenn man weiß, dass man sich nur zu 50 Prozent der Rechtsprechung widmen kann, weil man zu 50 Prozent als Sachbearbeiter und eigener Sekretär tätig ist", stellte Matejka fest.

(APA)

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