Selenskij in Cannes: "Wir brauchen einen neuen Chaplin"

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Überraschend wurde der ukrainische Präsident bei der Eröffnung der Filmfestspiele von Cannes zugeschaltet. Man müsse zeigen, „dass die Filmwelt nicht stumm ist“.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hat am Dienstag eine überraschende Ansprache bei der Eröffnungsfeier der Filmfestspiele von Cannes gehalten. In seiner per Video in den Saal übertragenen Rede rief er die Filmbranche auf, sich politisch gegen Hass und autoritäre Herrscher zu engagieren. Das Festival hatte zuvor mit vielen Stars auf dem roten Teppich seine 75. Ausgabe eingeläutet. Im Anschluss an Selenskijs Rede lief die Zombie-Komödie "Final Cut!" von Michel Hazavanicius als Eröffnungsfilm.

Selenskij spielte auf Charlie Chaplins Filmklassiker "Der große Diktator" an und sagte: "Am Ende wird der Hass verschwinden und die Diktatoren werden sterben". Chaplins im Jahr 1940 uraufgeführtes Werk gilt bis heute als besonders wirkmächtige Satire gegen Adolf Hitler.

"Wird die Filmwelt die Stimme erheben?"

"Wir brauchen einen neuen Chaplin um zu beweisen, dass die Filmwelt nicht stumm ist", sagte Selenskij weiter. Mit Blick auf den russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine fragte er: "Wird die Filmwelt still bleiben oder wird sie die Stimme erheben?" Das Publikum quittierte seine Rede mit stehenden Ovationen.

Zuvor hatten zur Eröffnung der Festspiele der französische Jury-Präsident Vincent Lindon die deutsche Schauspielerin Emilia Schüle, Eva Longoria und die spanische Schauspielerin Rossy De Palma bei sommerlichen Temperaturen in Cannes vor den Fotografen posiert. Im Wettbewerb um die Goldene Palme sind in diesem Jahr 21 Filme vertreten.

Wegen der Pandemie war das Festival 2020 ausgefallen und hatte im vergangenen Jahr im Sommer stattgefunden. Dieses Jahr gilt keine Maskenpflicht mehr. Selfies und sonstige Fotos mit dem Mobiltelefon bleiben aber weiterhin verboten.

"Wir bemühen uns, aufrecht und respektvoll zu sein"

Das Festival steht nicht nur wegen Selenskijs Ansprache im Zeichen des Ukraine-Kriegs. "Wir bemühen uns, aufrecht und respektvoll zu sein, auch als Hommage an diejenigen, die gerade viel schlimmere Zeiten erleben als wir", sagte Lindon.

In Cannes stellen sowohl der ukrainische Regisseur Sergej Losniza als auch der Russe Kirill Serebrennikow ihre neuen Filme vor. Serebrennikow, der inzwischen in Berlin lebt, war in den vergangenen Jahren von den russischen Behörden daran gehindert worden, zum Festival zu reisen.

Auch der letzte Film des Filmemachers Mantas Kvedaravicius soll gezeigt werden. Der Litauer war im April in der ukrainischen Stadt Mariupol erschossen worden. Er hielt sich in der umkämpften Hafenstadt auf, um mutmaßliche russische Kriegsverbrechen zu dokumentieren.

Nur fünf der Beiträge entstanden unter der Regie von Frauen - und dies ist bereits ein Rekord für das Festival. Zu ihnen zählt "Les Amandiers" von Valeria Bruni Tedeschi, der die Geschichte von Theaterstudenten in den 80er Jahren erzählt.

Zu den Stars, die im Laufe des Festivals am Roten Teppich erwartet werden, zählt Tom Cruise, der in der Fortsetzung des Kult-Films "Top Gun" mitspielt. Die französische Schauspielerin Léa Seydoux und die US-Schauspielerin Kristen Stewart sind in einem Science-Fiction-Film des kanadischen Filmemachers David Cronenberg zu sehen.

Am Mittwochabend soll Tom Cruise an der Croisette "Top Gun: Maverick" präsentieren - die Fortführung des Kultstreifens von 1986. Am Freitag feiert dann Marie Kreutzers Sisi-Drama "Corsage" in der renommierten Reihe "Un certain regard" seine Weltpremiere. Im internationalen Wettbewerb ist heuer kein österreichischer Film vertreten.

Die Preise des Festivals werden am Samstag kommender Woche verliehen. Hollywood-Star Forest Whitaker soll eine Ehren-Palme für sein Lebenswerk bekommen.

(APA/AFP)

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