Morgenglosse

Schlagobers gegen fette Briten

Top view image of a dessert with berries, meringue and whipped cream. Eton s mess with strawberries, sweet treat with su
Top view image of a dessert with berries, meringue and whipped cream. Eton s mess with strawberries, sweet treat with su(c) imago images/Addictive Stock (Anastasia Nurullina via www.imag)
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Von gesunder Ernährung will niemand hören, der gerade beim Einkaufen sparen muss: Großbritanniens Regierung verschiebt also eine Gesundheitsreform. Wogegen Jamie Oliver mit einer Schüssel Schlagobers samt Beeren vor der Downing Street 10 protestieren will. Ausgerechnet.

Kennen Sie „Eton Mess"? Eine englische Köstlichkeit und kleine Schweinerei, bestehend aus zerbrochener Baiser-Masse, Schlagobers und Erdbeeren. Ein „Trifle“ für Reiche sozusagen. Dafür müsste man jetzt aber wissen, was ein „Trifle“ ist (ein Dessert aus drei Zutaten: Creme, Teig, Beeren). Wollen Sie es probieren, können Sie Freitag um 12:30 Uhr in der Downing Street 10 vorbeischauen. Dort wird, aller Voraussicht nach, Jamie Oliver mit einer Schüssel „Eton Mess“ in Händen protestieren (und sie wohl nicht gegen die first Türe des Landes schleudern, so etwas tun Briten nur mit Eiern und nur auf neu aufgestellte Denkmäler von Margaret Thatcher, gerade eben so geschehen).

Was aber erregt den prominenten TV-Koch derart, dass er Boris Johnson, Absolvent des elitären Eton-Colleges, seine „Mess“, also seine Unordnung, derart öffentlich servieren will? Seit Jahren setzt Jamie Oliver sich für eine bessere Ernährung der Briten ein, zwei Drittel von ihnen sollen Umfragen zufolge Gewichtsprobleme haben. Manche erinnern sich vielleicht noch an das viral gegangene Video des Londoner Promi-Kochs, in dem er zeigte, aus welcher ungustiösen Masse - shocking! - Chicken Nuggets entstehen. Zuletzt hoffte er auf die Umsetzung der Regierungsstrategie gegen Kinder-Fettleibigkeit: keine Fernsehwerbung für zu fettige, salzige, süße Speisen vor neun Uhr (p.m.). Und keine „free deals“ mehr bei Fast Food, also kein „kaufe eins, bekomme eins gratis“.

Zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem ganz England (nicht nur) über die wachsenden Lebensmittelkosten stöhnt, wäre das Johnson wohl dekadent erschienen. Die Zeitung titeln täglich mit der „Cost-of-living Crisis“. Die sicher vernünftige Antwort darauf - „Dann nehmt doch endlich ab!“ - hätte Johnson wahrscheinlich den Mittelnamen „Marie Antoinette" eingetragen. Und ihn womöglich das Amt gekostet. Also wurde die Gesundheits-Strategie um mindestens ein Jahr verschoben. Mit einem Jamie Oliver samt Schüssel Schlagobers vor der Tür lässt es sich in Great Britain zur Zeit jedenfalls sicher „more decent“ leben als mit einem fetten französischen Namenszusatz an den Hüften.

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