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Grüner Lothar Lockl ist neuer Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats

20210810 Election of the new General Director of ORF VIENNA, AUSTRIA - AUGUST 10: Board member Lothar Lockl at the elect
20210810 Election of the new General Director of ORF VIENNA, AUSTRIA - AUGUST 10: Board member Lothar Lockl at the elect(c) imago images/SEPA.Media (Martin Juen via www.imago-images)
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Der Wahlkampfleiter von Van der Bellen erhielt 34 der 35 möglichen Stimmen und löst damit Norbert Steger ab. Ein Stiftungsrat hat sich enthalten, vermutlich jener der FPÖ.

Das oberste ORF-Gremium hat einen neuen Vorsitzenden: Lothar Lock, der bisherige Leiter des "Grünen"-Freundeskreises, wurde am Donnerstag zum Vorsitzenden des Stiftungsrats gewählt. Er erhielt in der konstituierenden Sitzung bei einer Enthaltung 34 der 35 möglichen Stimmen und löste damit Norbert Steger ab. Enthalten dürfte sich der FPÖ-Rat Niki Haas - er hatte das im Vorfeld bereits angekündigt. Als stellvertretender Vorsitzender wurde einstimmig erneut der bürgerliche Franz Medwenitsch bestimmt.

Lockl kam auf Ticket der grünen Parlamentspartei in den Stiftungsrat und wurde als Favorit für den Stiftungsratsvorsitz gehandelt, sah doch ein "Sideletter" der türkis-grünen Bundesregierung ein Vorschlagsrecht der Grünen für diese Funktion vor. Der 53-jährige frühere Bundesparteisekretär der Grünen war Wahlkampfleiter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dessen späterer Berater. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur "Lockl & Keck", die auch in die Öffentlichkeitsarbeit des Klimarats involviert ist und schon länger vom Umweltministerium Aufträge bezieht.

"Freundeskreise" als "semantisches Problem"

Der ÖVP-"Freundeskreisleiter" Thomas Zach wertete die breite Unterstützung für Lockl als "positives Signal für die Zukunft des ORF". Er sei überzeugt davon, dass Lockl seine neue Funktion gut ausführen werde. Auch SPÖ-"Freundeskreisleiter" Heinz Lederer meinte, Lockl habe in der Sitzung auch noch die letzten Zweifler überzeugt. Man müsse ihn nun an seinen Taten messen.

Zach hielt in Hinblick auf den "Sideletter" fest, dass die Entscheidung im Stiftungsrat gefällt worden sei - nicht von der Regierung. Gefragt, ob parteipolitische "Freundeskreise" noch zeitgemäß seien, meinte er, dass es "extrem wichtig" sei, sich im Vorfeld einer Sitzung zu beraten. Lederer erachtete die "Freundeskreise" als "semantisches Problem", gebe es doch auch Länder- oder Kulturinteressen. Insgesamt handle es sich um ein "sehr partizipatives Gremium".

Bei Stimmengleichheit entscheidet Lockl

Lockl wird als neuer Vorsitzender künftig die Sitzungen des Stiftungsrats vorbereiten, einberufen und die Tagesordnung festsetzen. Er erteilt in den Sitzungen das Wort und bringt Anträge zur Abstimmung. Auch schreibt er den Job des ORF-Generaldirektors aus. Seine Stimme entscheidet, sollte bei Abstimmungen im Gremium Stimmengleichheit herrschen. Die ehrenamtlichen und weisungsfreien Stiftungsräte bestimmen u.a. den ORF-Generaldirektor mit einfacher Mehrheit und können diesen mit Zweidrittelmehrheit abbestellen. Die Gremienmitglieder beschließen zudem Erhöhungen der ORF-Gebühren und weitere wesentliche Unternehmensentscheidungen.

Auch die Vorsitzenden des Finanz- sowie des Programmausschusses wurden gewählt, wobei es in beiden Fällen zu einstimmig beschlossenen Verlängerungen kam. Der ÖVP-"Freundeskreisleiter" Thomas Zach agiert weiterhin als Finanzausschuss-Vorsitzender (Stellvertreterin Sigrid Pilz) und Medwenitsch als Programmausschuss-Vorsitzender (Stellvertreterin Hildegard Aichberger). Die Rätinnen und Räte setzten erneut eine Corporate-Governance-Arbeitsgruppe ein, die von Klaus Poier geleitet wird (Stellvertreterin Katharina Hofer). Auch die erst heuer ins Leben gerufene Arbeitsgruppe "Cultural Change, Diversity, Frauenförderung im ORF" wird unter der Leitung von Petra Stolba (Stellvertreterin Andrea Danmayr) fortgeführt.

Im schlimmsten Fall 40 Mio. Euro Verlust

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann nützte die Sitzung, um die Räte zur angespannten finanziellen Lage des öffentlich-rechtlichen Unternehmens zu informieren. Inflation, erhöhte Energie- und Baupreise wie auch GIS-Abmeldungen setzen dem öffentlich-rechtlichen Medientanker zu. ORF-intern wird bereits an einem umfassenden Maßnahmenpaket gearbeitet, um drohende Millionenverluste abzuwenden und doch noch ausgeglichen zu bilanzieren. Als Worst-Case-Szenario wurden in etwa 40 Mio. Euro Verlust am Jahresende genannt.

Es sei richtig, sich mit allen Szenarien auseinanderzusetzen, meinte Zach dazu. Das gebiete die kaufmännische Vorsicht. Verfrüht sei es jedoch, sich auf ein Szenario festzulegen. "Da wären wir alle Hellseher", so der ÖVP-"Freundeskreisleiter". Entschlossenheit sei nun das Gebot der Stunde. Im Juni solle es Informationen zu konkreten Maßnahmen geben. Lederer warnte angesichts der Verlustszenarien vor "Alarmismus". Er vertraue darauf, dass sich Lösungen für die Problem finden werden, möchte aber möglichst bald konkrete Maßnahmen sehen. Massiven Widerstand kündigte er an, sollten diese einen massiven Stellenabbau oder Einschränkungen der Senderflotte vorsehen.

(APA)

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