So leer ist es nicht, aber mitnichten voll: Auch im Burgtheater ist die Auslastung weit niedriger als vor Corona.
Wien

Erschreckende Zahlen: Das Publikum kehrt nicht ins Theater zurück

Die Coronabeschränkungen sind weg, doch die Bühnen immer noch schlecht besucht. Sie begründen das mit der Pandemie. Eine Expertin gibt ihnen nur teilweise recht.

Lichte Reihen, aufgelassene Ränge, freie Plätze selbst bei Premieren: Wer in letzter Zeit im Theater war, hat mit einiger Wahrscheinlichkeit keinen großen Andrang erlebt. Auch wenn einzelne Abende für vollere Häuser sorgen, sind die Auslastungszahlen der größeren Wiener Bühnen grosso modo erschreckend niedrig. Besonders eklatant ist das im Volkstheater, das schon vor der Pandemie unter sinkenden Besucherzahlen litt und dann umbaubedingt länger geschlossen war. Mit einer Auslastung von 47 Prozent über alle Spielstätten verteilt ist in dieser Saison nun ein Tiefpunkt erreicht – detailliertere und aktuellere Zahlen wollte das Volkstheater auf Anfrage der „Presse“ nicht nennen.

Auch die anderen Bühnen spüren einen Publikumsschwund. In den Spielstätten des Burgtheaters lag die Auslastung im April 2022 bei rund 68 Prozent. Im April 2019 – also vor Corona – waren es noch 83 Prozent gewesen. Besonders schlecht besucht war zuletzt das Akademietheater mit 58 Prozent Auslastung. Und das Theater in der Josefstadt? Es war in der gesamten laufenden Saison (man wollte keine aktuellen April-Werte liefern) zu 65 Prozent gefüllt (vor Corona: 85), die Kammerspiele erreichten 79 Prozent (zuvor: 97).

An volle Häuser gewöhnt

Das kleinere Theater in der Gumpendorfer Straße erreichte im April eine Auslastung von 71 Prozent (2019: 82). Hier seien einzelne Monate allerdings schwer zu vergleichen, weil Premieren ungleich übers Jahr verteilt seien. Klar sei, so TAG-Geschäftsführer Ferdinand Urbach, „dass die laufende Saison deutlich schlechter ausfällt“. Auch die kommende werde nicht auf ein Vor-Corona-Niveau zurückfinden. „Die Coronapandemie hat viele Kundenbeziehungen nachhaltig zerstört.“ Auch in der Josefstadt ist man der Meinung, dass die „Besuchsroutine“ ruiniert sei.

Als Grund nennt man die Turbulenzen der Pandemie: Immer wieder veränderte Test- und Impf-Kontrollen sowie geänderte oder abgesagte Vorstellungen. Dazu komme die Scheu, in einem Saal voller Menschen zu sitzen. Die sei bei manchen immer noch da. „Wir waren an volle Häuser gewöhnt“, sagt Direktor Herbert Föttinger zur „Presse“. Die letzten beiden Jahre seien eine Übung in Demut gewesen. Er sei nun aber zuversichtlich, dass es besser werde. Die Josefstadt profitiert immerhin von treuen Stammbesuchern: Die Zahl der Abonnenten sank während Corona von 19.000 lediglich auf 17.800.

Der Befund der Theater ist also deutlich und einstimmig: Die Menschen hätten über die Coronazeit quasi verlernt, ins Theater zu gehen. Ist da was dran? Ja, sagt Vera Allmanritter, aber es sei zu kurz gefasst: „Plakativ könnte man auch sagen, die Theater haben es verlernt, die Menschen zu erreichen.“ Die Kultursoziologin forscht in Berlin – wo die Theater mit ähnlichen Problemen kämpfen – über kulturelle Teilhabe. Wer geht ins Theater, wer nicht? Ihre Untersuchungen zeigen: Das Publikum, das jetzt wiederkommt, gehörte schon früher zu den Kernbesuchern. Jene Gruppen aber, die vor Corona mit nur geringer Wahrscheinlichkeit ins Theater gingen, bleiben jetzt noch eher fern. Damit seien viele Bemühungen, breitere Zielgruppen zu erreichen, „wieder zurück auf null gestellt“.

Dazu komme die alte Frage, welche Relevanz klassische Kultureinrichtungen für das Publikum noch haben. Und wie nah diese an ihrer Lebenswelt sind. „Ich habe die Befürchtung, dass es hier eine Relevanzverschiebung gegeben hat“, sagt Allmanritter. Aufgabe der Theater sei es nun, auf die veränderten Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen einzugehen.

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Kommentar

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