Großer Raum, kleiner Piti: Der West Highland Terrier bewacht Fotos, Gemälde, Lampen und das „mutige“ grüne Sofa.
Wohngeschichte

Im Haus der noblen Gräfin

Mit Büro, Küchenterrasse und Familien-Kunst: Wie sich Ernährungsexpertin Ursula Vybiral mit Tochter unter dem Dach eines Alsergrund-Altbaus einrichtete.

Es klang wie die berühmte „eierlegende Wollmilchsau“, was sich Ursula Vybiral vor acht Jahren als neues Wohndomizil in Wien wünschte: „Stadtnah, mit Platz für Büro/Praxis, mit – im Hinblick auf die damals nahende Pubertät der Tochter – nicht nebeneinander liegenden Zimmern, einer Küche mit Terrasse und zwei Bädern. Kurz: eine moderne Wohnung in einem alten Haus.“ Sie gab damals ihr Büro in der Innenstadt auf, um ihre Tochter nicht den ganzen Tag allein zu lassen. Diese – „ich war damals schon sehr busy“ – übernahm die Suche, googelte sich durch den Immo-Inseraten-Dschungel und wurde schnell fündig.

„Nach nicht einmal einer Woche schlug sie mir eine Wohnung in der Liechtensteinstraße im neunten Bezirk vor. Ich war skeptisch, denn mir gefällt nur der Teil der Straße in Richtung Ring. Meine Tochter hatte keine Zweifel: ,Cool down, Mami, diese Wohnung ist perfekt für uns!‘“

Farbenfrohes Dachgeschoß

Das Haus befindet sich am Anfang der Liechtensteinstraße nahe dem ersten Bezirk und wurde 1854 erbaut. „Die Hausherrin war eine sehr vermögende russische Gräfin, die eine Lage nahe der Ringstraße wünschte. Sie bewohnte dann natürlich die Beletage“, erzählt die Ernährungsberaterin beim Hausbesuch.

Das eindrucksvolle Gebäude reicht bis zur Türkenstraße und birgt interessante baugeschichtliche Details. „Es gibt zwei Stiegenaufgänge, in ,meinem‘ Teil befinden sich eine alte, holzvertäfelte, denkmalgeschützte Treppe und ein Lift von 1996, im anderen findet man einen moderneren Stiegenaufgang, dafür einen Aufzug, der über 150 Jahre alt und denkmalgeschützt ist.“

Blick ins farbenfrohe Wohnzimmer.
Blick ins farbenfrohe Wohnzimmer.Martina Berger

Die 150 Quadratmeter große Wohnung liegt auf zwei Etagen, besitzt eine kleine Terrasse. Die Praxis ist getrennt von den privaten Räumen: Küche mit Esstisch, Wohnraum, zwei Schlafzimmer mit angrenzenden Bädern, eine Galerie – reichlich Platz für Mutter, Tochter und den kleinen West Highland Terrier Piti.

Ein paar Nachteile hat die Traumwohnung allerdings. „Ich habe eine Klimaanlage einbauen lassen, weil es unter dem Dach unerträglich heiß wird.“ Eine Markise schützt zusätzlich die Terrasse, „sonst schmelzen in der Küche die Kerzen. Im Sommer läuft die Klimaanlage leider den ganzen Tag.“ Und: Alle Fenster befinden sich in den Dachschrägen, man kann nur gen Himmel blicken. „Es ist seltsam, nicht auf die Straße sehen zu können, und das ist auch der Grund, warum ich hier wohl nicht für immer bleiben werde.“

Ursula Vybiral (links) mit ihrer Tochter.
Ursula Vybiral (links) mit ihrer Tochter.Tanja Hofer

Zum Ort, zur Person

Die linke Häuserzeile der Türkenstraße in Wien hatte beim Bau um 1850 freie Sicht auf die Basteien, nach deren Abriss wurde das Gebiet zur gefragten Adresse wohlhabender Familien. Eine gebrauchte Eigentumswohnung kostet im 9. Bezirk rund 7864 Euro/m2, eine neue rund 8503 Euro/m2. Miete im Neubau: rund 13,29 Euro/m2.

 

Ursula Vybiral ist Ernährungsberaterin, Coach und Autorin. Im Amalthea-Verlag erschien kürzlich „Easy Eating – Abnehmen funktioniert nur mit Essen“.

Mehr Infos unter: www.amalthea.at

 

Bei der Wahl der Möbel wurde sie von ihrer Schwester Sabine Schilling, einer Interior-Designerin, unterstützt: „Ich liebe Farben, alte und moderne Kunst, Klassiker in Sachen Möbel und Leuchten – etwa Camillo Castiglioni, Arne Jacobsen und Charles Eames, um einige Namen zu nennen. Diese Stücke sind immer mit mir umgezogen, manche schon achtmal.“ Alle Wohnungen bisher hatten weiße Küchen und ein weißes Sofa. „Hier war ich mutig, es wurde ein grünes Samtsofa.“ Ihre Schwester, auch als Malerin tätig, hat ihr zudem einige Bilder geschenkt, die zu absoluten Lieblingsstücken wurden.

Lieblingsplatz Outdoor-Sofa

Wohnen bedeutet für Vybiral „Rückzug, Privatsphäre, Freude, Glück“. Für die Mutter-Tochter-Beziehung war die Wohnung goldrichtig, „als Selbstständige war es mitunter heftig, ich konnte Beruf und privat nur schwer trennen. Meine Work-Life-Balance ging eindeutig in Richtung Work“, resümiert sie. Die Rechnung ist aber auch beruflich aufgegangen, sie hat zwei Mitarbeiterinnen und sucht derzeit wieder ein Office in der Innenstadt.

Welchen Platz sucht sie in der Wohnung am liebsten auf? Den einen Lieblingsplatz gibt es nicht, aber „im Sommer die halbe Nacht auf dem Outdoor-Sofa zu verbringen, mit einem Glas Champagner, guter Musik, und am besten zu zweit“, das gehört auf jeden Fall zum guten Leben.

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