Weniger Besucher, Umsatzverluste für die Händler.
Shoppingcenter

Die Entstehung neuer Einkaufswelten

Massive Rückgänge im Zuge der Corona-Lockdowns und ein verändertes Einkaufsverhalten machen neue Konzepte unumgänglich.

Wo ist die gute alte Handelswelt? "Früher waren die Zeiten einfacher", meint Hannes Lindner, Geschäftsführer der Standort + Markt Beratungsgesellschaft (S+M). Die Zahlen der "S+M-Dokumentation Shopping Center Österreich" sprechen Bände. So ist die Zahl der Besucher seit 2019 aufgrund der Coronamaßnahmen und Lockdowns um 128 Millionen zurückgegangen. Dieser massive Rückgang von 18,4 Prozent führte zu einem Umsatzverlust von 1,25 Milliarden Euro für die Händler.

Bezeichnend für die Situation sei, "dass es bei den Shoppingmalls seit 2019 keinen einzigen Neuzugang gegeben hat", sagt Roman Schwarzenecker, Gesellschafter S + M. Erst jetzt würden wieder einige Eröffnungen erwartet, darunter drei kleinere neue Center, drei Vergrößerungen und vier Relaunches. Dabei wäre das Interesse der Einzelhändler durchaus vorhanden. Laut dem jüngsten "EMEA Retail Occupier Survey" von CBRE hat die Expansion bei Einzelhändlern in ganz Europa derzeit nämlich oberste Priorität.

»"Die Shoppingcenter brauchen die Frequenz. Die ist wichtig."«

Hannes Lindner, Geschäftsführer der Standort + Markt Beratungsgesellschaft (S+M).

Bevorzugt werden dabei in erster Linie regionale Einkaufszentren und innerstädtische Einkaufsstraßen. Angesichts dieser Tatsache bleibt den Betreibern gar nichts anderes übrig, als neue Wege zu beschreiten, meint Lindner: "Innovationstreiber werden wohl neue Konzepte insbesondere im Bereich Freizeit und Gastronomie sein, auch wenn dies bis dato noch nicht flächenmäßig feststellbar ist." Weiters werde es zur Herausdifferenzierung von Versorgungszentren und Shopping- und Entertainmentzentren kommen.

"Die Shoppingcenter haben sich verändert und werden dies weiter tun", sagt Walter Wölfler, Head of Retail Austria und CEE bei CBRE über die Entwicklung: "Es zeigt sich, dass sich immer mehr Nicht-Retail-Konzepte ansiedeln werden." Der Experte nennt unter anderem die Sparten Gesundheit, Gastronomie, Bildung und Unterhaltung. Unabhängig davon geht es bei vielen Einzelhändlern um Omni-Channel-Konzepte, also die Verbindung von realen Flächen und Internet.

»"Es zeigt sich, dass sich immer mehr Nicht-Retail-Konzepte ansiedeln werden."«

Walter Wölfler, Head of Retail Austria und CEE bei CBRE.

Flächen werden multifunktional

Ganz auf die Flächen verzichten kann man im Einzelhandel nicht, betont Wölfler: "Es ist sogar für reine Online-Händler oft kostengünstiger, mit physischen Standorten Aufmerksamkeit zu generieren, als mit kostspieligen Marketingaktivitäten." Mit der Monofunktionalität in den Shoppingcentern sei es jedenfalls endgültig vorbei, betonen die Experten unisono. Große Hoffnungen liegen dabei auf Gesundheitsangeboten wie Fitnesscentern, Massagesalons, Ärztezentren oder Untersuchungsstraßen. Ob die Kunden wegen dieser Angebote oder zum Einkaufen kommen, sei unerheblich, sagt Experte Lindner: "Die Shoppingcenter brauchen die Frequenz. Die ist wichtig." Alexander Budasch, Geschäftsführender Gesellschafter von Austro Immo, sieht in Zukunft weiters eine stärkere Verknüpfung zwischen Retail und Logistik - speziell bei der letzten Meile: "Die Transporteure haben jetzt schon drei- bis vierstufige Logistikhubs. Ich denke, da wird noch viel passieren."

»"Die Transporteure haben jetzt schon drei- bis vierstufige Logistikhubs. Ich denke, da wird noch viel passieren."«

Alexander Budasch, Geschäftsführender Gesellschafter von Austro Immo.

Betrachtet man all diese Entwicklungen, so kann man sagen, dass sich die Shoppingcenter wieder in jene Richtung bewegen, die der Österreicher Victor Gruen, ihr "Vater", eigentlich angepeilt hat: Er verstand die Mall als Zentrum eines verdichteten urbanen Raums, als eine Art verbesserter Downtown, die von dichter Wohnbebauung, Parks und Sportanlagen umgeben sein sollte. Seine erste überdachte Shoppingmall - das 1956 fertiggestellte Southdale Center bei Minneapolis - enthielt neben Geschäften auch eine Schule, einen Hörsaal und einen Eislaufplatz.

»"Besser ist es, wenn man sich diskret mit einem Kaufinteressenten zusammensetzt"«

Christoph Lukaschek, Leiter Investment bei Otto Immobilien.

Off-Market-Deals

Auch die Anleger trauen sich an das Thema Shoppingcenter wieder heran. Anfang Mai etwa veräußerte die ECE Real Estate Partners das Haid-Center Linz in einer 130-Millionen-Euro-Transaktion an institutionelle Investoren. "Weitere Transaktionen sind in Vorbereitung", weiß Christoph Lukaschek, Leiter Investment bei Otto Immobilien. Die Käufer seien aber ausgewiesene Einkaufszentrum-Experten, die das Geschäft verstünden. "Kein großer Fonds würde derzeit ein Center in sein Portfolio nehmen, wie das früher manchmal der Fall war." Allerdings gebe es aktuell auch keine Angebote auf dem Markt, zu groß sei die Sorge, dass man als Verkäufer mit zu großen Abschlägen rechnen müsse. "Besser ist es, wenn man sich diskret mit einem Kaufinteressenten zusammensetzt", meint der Experte. Bei den geplanten Transaktionen handle es sich daher ausschließlich um Off-Market-Deals.

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