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Wie im Film aus Pazifisten Kriegshelden werden

Was macht Krieg aus Pazifisten? Wie passt Charlie Chaplin zu Selensky? Wie nah waren sich Alfred Nobel und Bertha von Suttner? Filme zu einer derzeit viel kritisierten Welthaltung.

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Chaplin Charlie Great Dictator The _01 Animated Communications UK Animated Communications UK
Chaplin Charlie Great Dictator The _01 Animated Communications UK Animated Communications UK(c) imago/Hollywood Photo Archive (imago stock&people)

Der große Diktator

Von Charlie Chaplin, 1940
Zum Leihen/Kaufen, diverse Anbieter

Bei seiner mit cineastischen Zitaten gespickten Video-Ansprache während der Eröffnungsgala der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes nahm Wolodymyr Selenskij vor allem auf einen Film Bezug: Charlie Chaplins „Der große Diktator“. Der Komiker spielt in seinem antifaschistischen Meisterwerk sowohl die Rolle des Tyrannen Adenoid Hynkel als auch jene eines jüdischen Friseurs. Dieser hält am Schluss eine Rede, die bis heute ins Feld geführt wird, wenn es um einen Appell an das Gute im Angesicht des Bösen geht. Oft wird sie als „pazifistisch“ eingestuft; schließlich geht es darin um „Brüderlichkeit“, gegen „Hass und Intoleranz“. Doch bei genauer Betrachtung bleibt strittig, ob sie bewaffnetem Widerstand gegen Feinde der Freiheit wirklich eine Absage erteilt. Vielmehr spricht Chaplin, der lang daran tüftelte, vom Verhängnis, für die falsche Sache zu fechten. Zwar beschwört er „Soldaten“, sich nicht „Rohlingen“ als „Kanonenfutter“ anzudienen. „Kämpfen“ sollen sie aber durchaus, mit vereinten Kräften, „im Namen der Demokratie“ und „für eine neue Welt“. Wie dieser Kampf auszusehen hat, bleibt offen. Auch darum ideal als Vehikel für Selenskijs Botschaft: Sein Frieden ist ohne Waffen unvorstellbar. (and)

Hacksaw Ridge

Von Mel Gibson, 2016
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Als Mel Gibson „Hacksaw Ridge“ drehte, war sein Ruf wegen Vorwürfen der Homophobie und des Antisemitismus schwer angeschlagen. Überdies galten seine Regiearbeiten als blutrünstig und gewaltverherrlichend. Wohl kein Zufall, dass er sich für seinen Comebackfilm eines Kriegsdienstverweigerers annahm. Andrew Garfield spielt darin den US-Amerikaner Desmond Doss, der im Zweiten Weltkrieg aufgrund seines Glaubens jeden Waffeneinsatz ablehnte. Bei Gibson gerät er dennoch zum Kriegshelden, als todesmutiger Rettungssanitäter, der mit messianischem Eifer Verletzte vom Schlachtfeld zieht. Selten war Pazifismus flexibler. (and)

Ein verborgenes Leben

Von Terrence Malick, 2019
Amazon, Sky

Wo Axel Cortis Fernsehfilm „Der Fall Jägerstätter“ – mit Kurt Weinzierl in der Rolle des unbeirrbaren „Wehrkraftzersetzers“ – seiner Hauptfigur 1971 ein relativ nüchternes Denkmal setzte, gerät der 2007 seliggesprochene Oberösterreicher in Terrence Malicks Ethik-Epos „A Hidden Life“ zur mystischen Symbolfigur für die Leinwand-Heilslehre eines bildergläubigen Kino-Priesters. August Diehl gibt den Oberösterreicher als eine Art Christusfigur, dem Gottes Gewissen gebietet, sich nicht von der ringsum grassierenden NS-Stimmungsmache in Versuchung führen zu lassen. Knapp drei Stunden lang ringt er mit sich und der Dorfgemeinschaft. Und trifft schließlich seine bekannte Entscheidung. Malicks audiovisuell ekstatisches Nonstop-Pathos ist nicht für jeden – aber falsch fühlt es sich in keinem Augenblick an. (and)

Sergeant York

Von Howard Hawks, 1941
Amazon

Viele Europäer, die sich als überzeugte Pazifisten sahen, sind nun in einen inneren Zwiespalt geraten und befürworten Waffenhilfe für die Ukraine. Einen vergleichbaren inneren Konflikt ficht Gary Cooper in „Sergeant York“ aus, gedreht vom großen Hollywoodregisseur Howard Hawks. Er spielt einen Soldaten, der sich aus christlicher Überzeugung heraus weigert, eine Waffe zu ergreifen, sich dann doch zum Kriegsdienst bekehrt und als Held zurückkehrt. Der Film basiert auf Tagebucheinträgen, entstanden ist er 1941. Die Geschichte diente also durchaus auch dazu, zweifelnde junge US-Männer zum Kriegsdienst zu bewegen. Stilistisch etwas aus der Zeit gefallen, aber doch sehenswert. (sim)

Gandhi

Von Richard Attenborough, 1982
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Als Mahnung zum Einsatz für den Frieden in den gefährlichsten Zeiten des Kalten Krieges plante Regisseur Richard Attenborough schon in den 1960er-Jahren seinen Gandhi-Film. Bis zur Realisierung dauerte es jedoch fast 20 Jahre. Die Botschaft kam dennoch an, es regnete Oscars. Weitere 40 Jahre später ist der Film immer noch sehenswert – auch wenn der friedliche indische Revolutionär nicht ganz so heilig war wie hier gezeichnet. (sim)

Eine Liebe für den Frieden

Von Urs Egger, 2014
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Wie wurde Bertha von Suttner zur Pazifistin? Auch durch Alfred Nobel, mit dem sie Krieg und Frieden intensiv diskutierte. Suttner war knapp zwei Wochen seine Privatsekretärin, dann schrieben sie sich jahrzehntelang Briefe. „Eine Liebe für den Frieden“ legt die Beziehung zwischen Suttner (diszipliniert: Birgit Minichmayr) und Alfred Nobel (Sebastian Koch) romantisch aus: Der Film ist weniger die Lebensgeschichte der Friedensnobelpreisträgerin als das Porträt einer Frau zwischen zwei Männern. (and)

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