Leistbares Wohnen in Eigentumshäusern mit offener Bauweise, Garten und grüner Umgebung. So begann alles . . .
Stadtarchitektur

Das Wiener Cottage-Viertel: Wie ein einziger Garten

150 Jahre Cottage-Viertel in Währing und Döbling: Dem einstigen Traum vom gesunden Wohnen verdanken wir eine der nobelsten und grünsten Wohngegenden Wiens – doch ist das Konzept noch zeitgemäß?

Freie Aussicht, (. . .) Licht und Genuss frischer Luft sowie keine Dünste oder üble Gerüche (. . .) Lärm oder mögliche Feuergefahr.“ Mit dem einstigen Slogan des Wiener Cottage-Vereins würden Immobilienmakler heute Traumliegenschaften wie jene des Währinger und Döblinger Cottage vermutlich nicht mehr bewerben. Dabei haben sich die Rahmenbedingungen kaum geändert. Das ist zu einem Teil dem Gründerverein geschuldet, der heuer sein 150-jähriges Bestehen feiert.

Das Einfamilienhaus mit großem Garten in Grünruhelage am Stadtrand mag für unser heutiges stadtplanerisches Werteverständnis nicht mehr zeitgemäß sein. Zumal die Villen der „Kotteesch“, wie das Nobelviertel bei Eingesessenen heißt, für viele unerschwinglich sind. Doch geht das Cottage-Viertel auf ein ambitioniertes Sozialprojekt zurück, das die Verbesserung der Lebensbedingungen der Mittelschicht verfolgte. Die Gründerväter, allen voran der Wiener Architekt Heinrich von Ferstel, suchten im ausklingenden 19. Jahrhundert eine Alternative zu den Wohnungen in Zinskasernen in der von Industrie geprägten Großstadt Wien. Die Innovation lag in der städtebaulichen Idee der Gartenstadt. Ein ganzes Viertel sollte nach dem Leitgedanken des gesunden und leistbaren Wohnens für Familien in Eigentumshäusern mit offener Bauweise, Garten und grüner Umgebung geschaffen werden. Vor allem aber war die Herangehensweise hierzulande gänzlich neu, denn die private Quartiersentwicklung erfolgte über einen gemeinnützigen Errichtungsverein: den Wiener Cottage-Verein.

Der Verein konstituierte sich 1872, und Ferstel formulierte gemeinsam mit einigen einflussreichen Mitstreitern die Rahmenbedingungen für die städtebauliche Entwicklung eines Cottage. Man erwarb einen Baugrund in Währing, und bereits zwischen 1873 und 1875 entstanden die ersten 50 Familienhäuser mit Wohn- und Wirtschaftsräumen samt Garten. Der Verein fungierte als Bauträger für die Planerstellung, Hauserrichtung, Gartengestaltung bis zur Finanzierung. In den Anfangsjahren beherrschte die vereinseigene Baukanzlei unter der Leitung von Chefarchitekt Carl Ritter von Borkowski das allgemeine Baugeschehen.

Die Quartiersentwicklung kam gut an, und schon bald mussten weitere Grundstücke erworben werden, die ab 1890 zur Ausdehnung des Cottage in Richtung Döbling führten. Zur Absicherung der homogenen, nach den Prinzipien des Cottage-Vereins vorgegebenen Gestaltung wurde im Grundbuch auf allen Liegenschaften eine Servitut eingetragen. Diese für Käufer verpflichtende Dienstbarkeit stellte die gewünschte offene und lockere Bauweise und Durchgrünung der Parzellen sicher. Das Cottage wurde zunehmend für den gehobenen Mittelstand und das Großbürgertum attraktiv. Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur stellten jedoch höhere Ansprüche an Wohnen und Repräsentation, und so wurden die Bautätigkeiten in den meisten Fällen nicht mehr über die Cottage-Baukanzlei abgewickelt. Die ursprünglich schlicht gehaltenen Landhäuser im Cottage wuchsen zu teils beachtlichen frei stehenden Villen an. Daneben entstanden größere Mietvillen sowie ein Sport-/Eislaufplatz mit Klubhaus für die Allgemeinheit. Borkowski beschrieb das Cottage als einen „einzigen Garten, der von kreuzenden Straßen in große Beete geteilt wird“, denn das grüne Areal wurde schachbrettartig parzelliert. Ein typisches Charakteristikum des Cottage ist die straßenseitige Platzierung der Gebäude auf dem Grundstück, sodass die Gärten der einzelnen Parzellen zu großen Gartenkomplexen zusammenwuchsen. Auf den Baufeldern entstanden so großzügige Landschaften, die Häuserfronten waren mit Vorgärten ausgestattet. Die Gartengestaltungen folgten anfangs dem Stil des englischen Landschaftsgartens, überwiegend aus der Feder der Baukanzlei. Vereinzelt wurden aber auch renommierte Gartenarchitekten engagiert, wie etwa Carl Gustav Swensson, der damals mit der Gestaltung des Türkenschanzparks beschäftigt war, dessen Schaffung auf das Engagement einzelner Mitglieder des Cottage-Vereins zurückgeht.

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