Buch der Woche

Gerhard Roth: Das Ende des Alphabets

Gerhard Roth verstarb am 8. Februar 2022, kurz nachdem er „Die Imker“ abgeschlossen hatte.
Gerhard Roth verstarb am 8. Februar 2022, kurz nachdem er „Die Imker“ abgeschlossen hatte.(c) Didi Sattmann/Imagno /Picturedesk
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„Die Imker“ ist der letzte und gleichzeitig rätselhafteste Roman von Gerhard Roth. Erzählt aus der Perspektive eines Künstlers in einer Nervenheilanstalt, verschwimmen darin Wirklichkeit und Fiktion.

Dies ist nun also definitiv das letzte Buch von Gerhard Roth. Mehr als 500 Seiten dick steht es da als Vermächtnis eines großen Erzählers, das durch den Umstand des plötzlichen Todes eine besondere Aura erhält. Dass nichts mehr nachkommen kann, verleiht ihm eine magische Bedeutung. Man wünschte sich einen Titel, der dem Klang eines Schlussakkords entspricht: „Der Stille Ozean“ oder „Die Geschichte der Dunkelheit“. Stattdessen trägt Gerhard Roths letztes Werk einen Titel, der nüchterner und weniger poetisch kaum sein könnte. „Die Imker“.

Was soll man sich davon erwarten? Wohin weist dieses Wort, das man kennt und versteht und das doch auf sonderbare Weise altmodisch klingt und in der Alltagsrede kaum je Verwendung findet?

Erzähler ist Franz Lindner, ein Künstler und Insasse einer Nervenheilanstalt (Gugging wird ausdrücklich erwähnt), der sich Wilhelm Hermann nennt. Um ihn herum passieren allerlei Dinge, die sich einer rationalen Interpretation entziehen, aber ihre eigene Logik entwickeln, sobald der Leser akzeptiert, dass Lindner als „Kranker“ sein eigenes Wahrnehmungs- und Bezugssystem hat. Roths Verfahren ist in der Literatur vorgeprägt durch Gogol und durch die deutsche Romantik.

Die Teile von Lindners Erzählung sind nur lose miteinander verknüpft, teils assoziativ, teils ganz ohne unmittelbaren Übergang. Manche Exkurse haben den Charakter von Mini-Essays – so zum Beispiel über Fotografie und Erinnerung, über Andrej Tarkowski oder über den heute eher verpönten Film „Freaks“ – oder von Notizen, die auf eine Ausarbeitung warten (die jetzt nicht mehr stattfinden kann). Unter der Überschrift „Gedichte“ sind einzelne Sätze aneinandergereiht wie ein Prévert'sches Inventarium. Auch die Illustrationen, die Erwin Wurm beigesteuert hat, sind keine Bebilderungen, wie man sie aus illustrierten Romanen früherer Jahrhunderte kennt, sondern eher beiläufige gegenständliche oder abstrakte Assoziationen mit starkem Eigengewicht.

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