Quergeschrieben

Pandemie, Schwindel, Ausreden: Ein Leben in der Warteschleife

Wenn Klienten zu Bittstellern werden: Was genau versteht man in Österreich am Wort Kundenorientierung nicht? Die Coronakrise zeigt Verhaltensdefizite auf.

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Ein Tag im Frühjahr 2020. Besuch in einer großen Bank in Wien. Es war ein Konto zu eröffnen. Geht jetzt nicht, sagt der Kundenberater. Wann denn? „Nach Corona.“ Es ist noch immer nicht „nach Corona“, wenn auch manchmal so getan wird, als müsste man sich um das Virus nicht mehr kümmern. Irgendwie sollte sich dieser Vorfall als symptomatisch für das erweisen, was dann folgte und jetzt zunehmend zum Ärgernis wird.

Gewiss hat die Pandemie vieles auch im Alltag auf den Kopf gestellt, verhindert, beeinflusst, erschwert. Was sie aber mit dem Verhalten von Dienstleistern, Beamten und Unternehmen Kunden gegenüber zu tun haben könnte, erschließt sich nicht ganz.

Gut, in einem Land, in dem nicht klar ist, was genau am Wort Kundenfreundlichkeit nicht zu verstehen ist, können Kunden schon oft mit Bittstellern verwechselt werden. „Kommen Sie nach Corona oder wann immer, aber nicht jetzt, Sie wissen ja, die Pandemie, kein Personal mehr, das haben wir nicht, können wir nicht, wissen auch nicht, wann . . .“ etc. Bei der Kreativität der Ausreden kann uns schon in normalen Zeiten niemand übertreffen. Diese Zeit ist nicht normal, und da laufen jetzt viele in diesem Land zur Höchstform auf.

Die Definition von Kundenfreundlichkeit wäre allerdings nicht schwer zu begreifen: Darunter sind „alle Worte und Handlungen zu verstehen, mit denen Kundendienstmitarbeiter ihren Kunden Wertschätzung und Respekt entgegenbringen“. Man möchte meinen, dass sich dies bei Firmen direkt in Geschäftserfolge umsetzen ließe.

Offenbar nicht, wie die (nicht mehr) heimische Fluglinie AUA beweist. Versuchen Sie zu Beginn der Reisesaison einen Flug umzubuchen oder aus irgendeinem anderen Grund Kontakt zu einem Mitarbeiter herzustellen: Sie können an mehreren Tagen mehrere Stunden Lebenszeit für die Warteschleife am Telefon reservieren, bis zu vier Stunden womöglich. Ist dann eine Verbindung gelungen, wird sie wenig später oft unterbrochen, und alles beginnt von vorn. Gut, Abhilfe ist möglich. Die Website der AUA avisiert einen Ticketschalter in Wien Mitte als „geöffnet“. Er ist geschlossen. Auf die Frage, ob hier jemand irgendwann arbeite, weiß die Mitarbeiterin einer anderen Firma: „Nein, die wollen einfach nicht.“ Offenbar war die Annahme, eine Fluglinie wolle Tickets verkaufen, völlig fehl am Platz.

Es geht also nicht nur um das Verhalten von Mitarbeitern, sondern in diesen Zeiten auch um das der Firmen – oder auch der Bürokratie. Personalnot mag der Wahrheit entsprechen, aber die Kaltschnäuzigkeit alias Unfreundlichkeit, mit der oft darauf verwiesen und die Schuld der Pandemie zugeschoben wird, macht misstrauisch – vor allem in Zeiten wie diesen, in denen das Vertrauen, ob in die Politik, die Wissenschaft oder die Wirtschaft, rar ist. Oft bekommt man nämlich den Eindruck, als ginge der Zwang zu Einsparungen ausschließlich auf Kosten der Kunden und die Pandemie mutiere zum willkommenen Sündenbock. Oft genug ist ein ziemlich paradoxes Verhalten festzustellen.

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