Mein Samstag

Der Problem-Champagner

Luxusproblem sagen wir auf Deutsch, aber Champagnerproblem ist fast noch eleganter.

Neulich ist uns beim englischen Netflixen der schöne Begriff „champagne problem“ untergekommen, also ein im Vergleich zu den globalen Herausforderungen gesehen klitzekleines Problemchen. Luxusproblem sagen wir auf Deutsch dazu, aber Champagnerproblem ist fast noch eleganter.

Eines meiner Champagnerprobleme, Sie kennen das vielleicht auch: Hat man einmal ein ideales Produkt gefunden, etwa eine tolle Creme, das perfekte Haarshampoo, wird dieses plötzlich eingestellt. So ist zum Beispiel mein Lieblings-Make-up nicht mehr erhältlich, und ich vermute deshalb, weil es mit seinem Versprechen, 24 Stunden Halt zu bieten, nicht mehr gut genug war. Heute muss man, will man ein Pflegeprodukt von Welt sein, mit einem völlig absurden Versprechen daherkommen. So hat das neue Make-up derselben Marke ein Upgrade erlebt und hält angeblich 72 Stunden! So lang muss ein Make-up ja nicht einmal bei einem Langstreckenflug halten, und da man sich abends unbedingt abschminken sollte, sind diese 72 theoretischen Make-up-Stunden, so sie wahr wären, so in etwa 60 Stunden zu viel. Eine (eher teure) Creme will gar 100 Stunden Feuchtigkeit spenden, gleichzeitig soll man sie täglich mindestens einmal verwenden, was offenbar in der Marketinglogik kein nennenswerter Widerspruch scheint. Fast bescheiden ist da jener Nagellack, der „sieben Tage“ Halt verspricht, interessanterweise aber gelobt, „forever strong“ zu sein. (Also was jetzt?) Und das Fitnessgerät Vibro-Shaper (fragen Sie mich nicht, was das genau ist) hat 99 Geschwindigkeitstufen! 99! Bis man sich da für eine Stufe entschieden hat, ist ja schon die dreiviertelte Trainingszeit vorbei.

Auf der Suche nach einem Nachfolger-Make-up habe ich mich auch bei den Duschgels umgeschaut. Eines heißt „Over the Clouds“ und verspricht, nach Wolken zu duften. Was sich von der Erde aus natürlich nur schwer überprüfen lässt, aber das ist ebenfalls ein Champagnerproblem. Wobei Champagner selbst, wenn Sie mich fragen, wiederum gar kein Problem darstellt. In diesem Sinne: Santé!

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2022)

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