EU-Wiederaufbauhilfen

Scheinmanöver Polens im Ringen um Rechtsstaatlichkeit

Die Regierungskoalition einigt sich auf kleine Änderungen, um Wiederaufbau-Milliarden der EU freizubekommen.

Brüssel. Die polnische Regierungskoalition hat am Donnerstag einen neuen Versuch unternommen, jene rund 35 Milliarden Euro an EU-Wiederaufbauhilfen zu erhalten, welche die Europäische Kommission aufgrund von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit nicht freigibt. Die Partei PiS stimmte gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner, der Partei des Justizministers Zbigniew Ziobro, in einem Parlamentsausschuss für einige Novellen, welche unter anderem die vom Gerichtshof der EU für rechtswidrig erklärte Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs abschaffen würden. Allerdings bleiben zwei Bedingungen, welche die Kommission an die Freigabe der Wiederaufbau-Milliarden geknüpft hat, in diesen Novellen unberücksichtigt: erstens die Streichung jener Bestimmungen, welche Richtern sämtliche öffentliche Wortmeldungen verbieten (das „Maulkorb-Gesetz“), zweitens die Wiedereinsetzung jener mehr als ein Dutzend Richter, die von der EU-rechtswidrigen Disziplinarkammer außer Dienst gesetzt worden sind. Zudem enthalten die Novellen einen „Unabhängigkeitstest“ für Richter in laufenden Verfahren, der das Potenzial in sich birgt, Richter, die nicht auf Regierungslinie sind, für parteiisch zu erklären und von Verfahren abzuziehen. Es ist unwahrscheinlich, dass Polens Regierungskoalition die zwei offenen Bedingungen, welche Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erst diese Woche in einem Brief wiederholt hat, erfüllen wird. „Ich hoffe, dass Richter, die von der Disziplinarkammer suspendiert wurden, nicht wieder eingesetzt werden“, sagte Ryszard Terlecki, der Fraktionschef der PiS. Die Kommission hatte erklärt, dass sie die Gelder freigeben werde, sobald Polen alle drei Bedingungen rechtskräftig erfüllt. Das muss bis Jahresende geschehen, sonst verfällt ein Teil der Mittel. (GO)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2022)

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