Leitartikel

Die Republik der Lügen

ANGELOBUNG DES BUNDESMINISTERS FUeR LANDWIRTSCHAFT, REGIONEN UND TOURISMUS, NORBERT TOTSCHNIG: VAN DER BELLEN / TOTSCHNIG / KOGLER / NEHAMMER
ANGELOBUNG DES BUNDESMINISTERS FUeR LANDWIRTSCHAFT, REGIONEN UND TOURISMUS, NORBERT TOTSCHNIG: VAN DER BELLEN / TOTSCHNIG / KOGLER / NEHAMMERAPA/ROLAND SCHLAGER
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Ein pädagogisches Regime sorgt dafür, dass sich die Österreicher möglichst gut fühlen. Mit Lügen, Verdrängung und Alles-nicht-so-schlimm-Lächeln.

Lüge ist ein hartes Wort, mit dem Zusatz „Not“ klingt es gleich harmloser, handelt es sich zwar noch immer um die bewusste Kommunikation von Unwahrheit, aber aus vermeintlich verständlichen Gründen. Die sogenannte Staatslüge, ein österreichisches Spezifikum, soll verhindern, dass die Bevölkerung sich unwohl oder sogar ängstlich zeigt. Dieses paternalistische Vorgaukeln eines positiven Bildes statt der Darstellung der Realität prägt die gesamte österreichische Politik bis heute.

Es begann mit dem Opfermythos, wonach Österreich und seine Bewohner erstes Opfer Adolf Hitlers gewesen seien, eine massive Beteiligung am Holocaust, an der Verfolgung von Mitmenschen und an Kriegsverbrechen wurde somit frech geleugnet. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis Franz Vranitzky die Mitschuld von Österreichern eingestand und sich dafür öffentlich entschuldigte. Erst damit setzte eine echte Vergangenheitsbewältigung ein.

Zum absurden Narrativ der angeblichen Insel der Seligen passte auch die Sicherheitslüge: Offiziell war Österreich neutral, inoffiziell verließen sich die Regierungen darauf, dass die Nato-Nachbarn, also die USA, zur Hilfe eilen würden, wenn die russischen Panzer die verrosteten Panzersperren weggedrückt hätten. In der Schule in Innsbruck erzählten uns Lehrer ernsthaft, dass zumindest Westösterreich dank des Brenners strategisch so wichtig für die US-Truppen sei, dass die Bundesländer sofort gerettet würden. Wir waren Kinder, die Politiker behandelten aber auch unsere Lehrer und Eltern wie Kinder. Bis heute sind wir das in der Sicherheitspolitik geblieben.

Dies ist auch immer wieder zu spüren und zu hören, wenn es um die direkte Demokratie geht: Politiker unterschiedlichster Couleur weisen in persönlichen Gesprächen immer wieder darauf hin, dass komplexe Sachverhalte Wähler bei Abstimmungen überfordern könnten. Soll heißen: Die Österreicher sind demnach zu dumm, also etwa dümmer als die Schweizer. Daher wird in Österreich die sogenannte repräsentative Demokratie gelebt, die Regierung ist demnach ein pädagogisches Regime.

Nur selten wird wie zu Beginn der Pandemie einige wenige Male reiner Wein eingeschenkt: Doch auch dabei ist die Wahrheit mitunter auf der Strecke geblieben. Um den Menschen den Lockdown schönzureden, wurden Horrorszenarien projiziert, die auch den meisten Wissenschaftlern neu waren.

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