Kommentar

Es ist verdammt hart, Wiener ÖVP-Chef zu sein

Karl Mahrer warnt beim Parteitag vor Linksblock und SPÖ-Absoluter. Der große Wurf, wo bleibt er?

Gery Keszler wurde an diesem sommerlich heißen Freitagnachmittag unter vielen alten Bekannten nicht gesichtet. Hätte er sich wie vor zwei Jahren zum Parteitag der Wiener ÖVP verirrt, was hätte er zum Generationswechsel der anderen Art gesagt? Hätte er bei der Rede Karl Mahrers gegähnt? Wäre er gar auf ein Bier gegangen?

Es ist verdammt hart, Obmann der Wiener ÖVP zu sein. Gernot Blümel musste gehen. Als Privatmann sitzt der Ex-Finanzminister, nach außen kühl wie stets, in der ersten Reihe, als er von Karl Nehammer abwärts kurz und bündig bedankt wird.

Karl Mahrer ist also offiziell Nachfolger. Trotz 45-jähriger ÖVP-Mitgliedschaft und allerlei Funktionen: Die Rolle des Volkstribuns ist die seine nicht. Er sieht die ÖVP als „Grätzelpartei“, predigt Volksnähe, geißelt Fehler der Integrationspolitik. Und er warnt vor einem Linksblock aus SPÖ, Grünen, Neos, sogar schon vor einer SPÖ-Absoluten. Zu Begeisterungsstürmen vermag er nicht zu bewegen. Viel Klein-Klein, nett gemeint, aber der große Wurf, wo ist er? Der Traum vom Wien ohne SPÖ-Erbpacht auf den Bürgermeister, den Gernot Blümel geträumt hat, ist ausgeträumt. Karl Mahrer ist zu sehr Pragmatiker, konsensliebend. Die Zeiten haben sich geändert. Nicht nur in der ÖVP. Auch in der Welt ringsum.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2022)

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