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Erster Verdachtsfall von Affenpocken in Wien bestätigt

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++ ARCHIVBILD ++ AFFENPOCKEN - ERSTER VERDACHTSFALL IN OeSTERREICH AUS WIEN GEMELDETAPA/GEORG HOCHMUTH
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In Wien wurde am Sonntag der erste österreichische Verdachtsfall von Affenpocken gemeldet. Bei dem 35-jährigen Mann, der die typischen Symptome aufweist, wurde die Krankheit festgestellt.

Nach immer mehr Fällen in Nachbarländern haben die Affenpocken auch Österreich erreicht. In Wien war am Sonntag ein erster Verdachtsfall gemeldet worden, der sich nun bestätigt hat: Ein 35-Jähriger wurde in der Nacht auf Sonntag mit typischen Symptomen wie leichtem Fieber und Pusteln im Gesicht in eine Klinik in Wien-Favoriten eingeliefert. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums bestätigte eine entsprechende Meldung des ORF. Die positive Meldung, dass der Mann sich tatsächlich angesteckt hat, folgte am frühen Sonntagabend.

Wobei die endgültige Bestätigung offenbar noch aussteht: "Das Laborergebnis des Patienten, der als Verdachtsfall zu uns kam, hat bestätigt, dass er Pocken positiv ist. Die Sequenzierung, um welche Form der Pocken es sich handelt, erfolgt jetzt noch", sagte die Sprecherin des Wiener Gesundheitsverbundes (Wigev), Nina Brenner-Küng. "Mit aller Wahrscheinlichkeit nach werden es Affenpocken sein."

Der Verdacht beim österreichischen Patienten war bereits Rettungsauto aufgekommen, daher wurde er in der Infektiologie des Spitals gebracht. "Es geht ihm soweit gut, er ist stabil. Er hat die Hautveränderungen, er hat leichte Grippesymptome", sagte Brenner-Küng zum Gesundheitszustand des Mannes. Laut einem Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) befindet sich der Patient auf der Isolierstation. Analysiert wurde die Probe von der Veterinärmedizinischen Universität.

Das Gesundheitsministerium wurde über den Verdachtsfall von den zuständigen Wiener Behörden informiert, die auch für das Contact Tracing verantwortlich sind. Am Freitag kündigten die Gesundheitsbehörden an, Anfang der Woche mit dem Contact Tracing startklar zu sein, nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer Nachverfolgung aller Kontakte von Infizierten aufgerufen hat.

WHO: Kein Grund zur Besorgnis

Zuvor waren bereits Fälle in den Nachbarländern Deutschland und der Schweiz bekanntgeworden, wie zuvor auch schon in Großbritannien, den USA, Portugal, Spanien, Italien und Kanada. Affenpocken treten hauptsächlich in Afrika auf, was die gegenwärtigen Ausbrüche ungewöhnlich macht. Die Zahl der Nachweise werde in nächster Zeit laut Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere Experten. Nach WHO-Angaben wurden bis Samstag über 90 Infektionen in Ländern bestätigt, in denen das in West- und Zentralafrika heimische Virus normalerweise nicht auftritt.

Um die Ausbreitung zu stoppen, sei es "dringend notwendig", das Bewusstsein für die Virenerkrankung zu erhöhen, hieß es Samstagnacht von der WHO in Genf. Außerdem müssten Fälle umfassend ausfindig gemacht und isoliert sowie Ansteckungswege rückverfolgt werden. Für die Allgemeinheit sehen Experten dennoch keinen Grund zur Besorgnis.

In Deutschland sind inzwischen drei Fälle der Viruserkrankung bestätigt, einer in München und zwei in Berlin. Die WHO berichtet mit Stand Samstag von rund 90 bestätigten Infektionen und 30 Verdachtsfällen in Ländern, in denen das in West- und Zentralafrika heimische Virus normalerweise nicht auftritt.

Virologe: Keine neue Pandemie

"Eine neue Pandemie haben wir nicht zu befürchten", sagte der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maxiliams-Universität München in einem am Samstag bei "Zeit Online" veröffentlichten Interview. Affenpockenviren seien andere Erreger als die Auslöser der Menschenpocken.

Die Krankheit gehöre zu den Zoonosen, also Krankheiten, die immer wieder vom Tier auf den Menschen übergehen und sich kaum zwischen Menschen übertragen würden. "Da wir kaum mehr Immunität gegen die klassischen, seit über 40 Jahren in der Natur ausgerotteten Pockenviren haben, breiten sich aber auch die Affenpocken immer mal aus, aber lediglich punktuell. Das machen sie bei Weitem nicht so effizient wie die Grippe oder Sars-CoV-2", sagte der Pockenvirologe.

Die momentan festgestellten Erkrankungen betreffen laut WHO hauptsächlich - aber nicht nur - Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben. Bei allen derzeit genetisch analysierten Fällen handle es sich bei dem Erreger um die westafrikanische Variante, auch bei dem Patienten in München. Sie führt im Vergleich zur zentralafrikanischen Variante grundsätzlich zu milderen Verläufen.

"Allgemein geht man davon aus, dass die westafrikanischen Affenpocken eine Sterblichkeit von insgesamt einem Prozent haben, das betrifft vor allem Kinder unter 16 Jahren", sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der infektiologischen Klinik eines Krankenhauses in Schwabing in München. "Man muss aber bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragbar auf das Gesundheitswesen in Europa oder den USA sind, bei uns wäre die Sterblichkeit eher niedriger anzusetzen. Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerung massiv zu gefährden."

Fieber, Kopfschmerzen, Hautausschlag

Das Virus verursacht nach Angaben von Gesundheitsbehörden meist nur milde Symptome wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und Hautausschlag. Affenpocken können aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen, in Einzelfällen sind tödliche Erkrankungen möglich. Übertragen wird der Erreger Virus vor allem über direkten Kontakt oder Kontakt zu kontaminierten Materialien.

Vorsicht ist nach Ansicht Wendtners bei immunsupprimierten Patientengruppen geboten, also solchen mit nur schwachen Abwehrkräften. "Dazu gehören beispielsweise HIV-Patienten ohne ausreichende medikamentöse Krankheitskontrolle, aber zum Beispiel auch Tumorpatienten mit schwerer Immunsuppression etwa nach Stammzelltherapie." Es werde diskutiert, ob man diese Risikogruppen mit einer Impfung schütze. Seit 2013 ist in der EU demnach der Impfstoff Imvanex zugelassen. Auch die Impfung von Kontaktpersonen wird momentan geprüft. Die WHO wollte Experten einberufen, um mögliche Impfempfehlungen zu erörtern.

UNAIDS kritisiert homophobe Berichte

Die UNAIDS hat wiederum einige Berichte und Kommentare über Affenpocken-Fälle als homophob und rassistisch kritisiert. Eine Stigmatisierung der Virusinfektion könne den "Kampf gegen die Epidemie schnell untergraben". Zwar betreffe ein großer Teil der bisher bestätigten Fälle von Affenpocken Schwule, Bisexuelle oder andere Männer, die Sex mit Männern haben, aber die Krankheit könne durch engen Kontakt mit einer infizierten Person übertragen werden und "somit jeden treffen".

Die UNO-Organisation fürchtet, dass Stigmata und Vorwürfe schnell die auf Wissenschaft und Fakten basierenden Bemühungen zur Bekämpfung der Krankheit beeinflussen können. Rassistische oder homophobe Angriffe "schaffen einen Kreislauf der Angst". Dieser bringe Menschen dazu, Gesundheitszentren zu meiden, womit sich die Ausbreitung schlechter einschränken lasse, warnte UNAIDS.

Medikament am Markt

Mit dem Medikament Tecovirimat gibt es neben der Impfung eine in der EU zugelassene Therapiemöglichkeit für die Affenpocken-Erkrankung. Die WHO wies allerdings darauf hin, dass die Gegenmittel momentan nicht flächendeckend verfügbar seien. Reisebeschränkungen oder Absagen von Veranstaltungen in betroffenen Ländern sind aus Sicht der WHO derzeit nicht notwendig. Es könne bei Massenveranstaltungen zwar zu Ansteckungen kommen, Vorsichtsmaßnahmen gegen Covid-19 würden aber auch gegen Affenpocken wirken.

Für eine Entscheidung, ob die Affenpocken künftig zu den meldepflichtigen Erkrankungen zählen sollen und Infizierte auch in Quarantäne müssen, braucht es einheitliche internationale Vorgaben, diesbezügliche Abstimmungen laufen zwischen der WHO und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).

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