Der ökonomische Blick

Fürs Studium bezahlen? Aber richtig!

Die Presse/Clemens Fabry
  • Drucken
  • Kommentieren

Warum sollte der Staat den Besserverdienenden von morgen den Zugang zum Besserverdienst – das Studium – schenken? Aus ökonomischer Sicht sprechen sowohl Effizienz- als auch Gerechtigkeitsaspekte für Studiengebühren.

Wie in den meisten Ländern der Welt hat die Corona-Pandemie auch den österreichischen Staatshaushalt stark belastet. Höhere Ausgaben verbunden mit geringeren Einnahmen werden noch viele Jahre lang Haushaltskonsolidierungen erforderlich machen. Obwohl Bildungsausgaben in Österreich einen relativ großen Anteil an den gesamten Staatsausgaben ausmachen, wäre es fatal, die Ausgaben für Kinderkrippen, Kindergärten oder Schulen zu kürzen. Demgegenüber könnte die Einführung von „nachgelagerten“ Studiengebühren ‑ einem besonderen Modell von sozial verträglichen Studiengebühren ‑ nicht nur zu einer Entlastung der Staatskasse, sondern auch zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen.

Kostenfreies Studium: Ineffizient und ungerecht

Aus ökonomischer Sicht sprechen sowohl Effizienz- als auch Gerechtigkeitsaspekte für Studiengebühren. Was die Frage der Effizienz angeht, so sollte der Staat immer dann eingreifen, wenn der Markt Fehlanreize schafft. In Österreich ist das Durchschnittseinkommen von Personen mit Hochschulabschluss eineinhalb Mal so hoch wie das von Personen mit einem Lehrabschluss. Studierende sind also weitgehend die Besserverdienenden von morgen. Angesichts der Einkommenseffekte eines Hochschulstudiums auf dem Arbeitsmarkt mangelt es also auch ohne rein staatliche Studienfinanzierung nicht an ökonomischen Anreizen für ein Studium.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse"-Redaktion entsprechen.

>>> Alle bisherigen Beiträge

Auch Gerechtigkeitsüberlegungen sprechen eindeutig für Studiengebühren. Warum sollte der Staat den Besserverdienenden von morgen den Zugang zum Besserverdienst – das Studium – schenken? Es wäre nur gerecht, wenn sie zumindest einen Teil der Kosten aus ihrem später höheren Einkommen selbst bezahlen würden. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass Personen aus bildungsnahen Elternhäusern ein Studium aufnehmen, viel höher als bei Personen aus bildungsferneren Elternhäusern: zum Beispiel fast zweieinhalbmal höher, wenn man Kinder von Eltern mit und ohne Matura im Studienjahr 2019/20 vergleicht. Das vom Staat verschenkte – und von der Allgemeinheit finanzierte ‑ Studium ist eine Umverteilung von unten nach oben.

Warum nachgelagerte Studiengebühren besser sind

Trotz dieser ökonomischen Gründe, die gegen ein rein staatlich finanziertes Hochschulsystem sprechen, werden reguläre Studiengebühren zurecht kritisiert: Denn wenn sie vorab bezahlt werden müssen, wie es normalerweise der Fall ist, können sich Kinder aus ärmeren Verhältnissen die Gebühren zum Zeitpunkt des Studiums möglicherweise nicht leisten. So würden sozial Schwächere von einem – auch aus gesellschaftlicher Sicht – lohnenden Studium abgeschreckt.

Hier kommt das Modell der sogenannten „nachgelagerten“ Studiengebühren ins Spiel, die es z.B. in Australien seit den 1980er Jahren gibt. Sie unterscheiden sich von regulären Studiengebühren in zweierlei Hinsicht: Erstens werden die Gebühren erst nach dem Abschluss des Studiums erhoben, wenn die ehemaligen Studierenden Einkommen erzielen. Und zweitens müssen sie nur gezahlt werden, wenn dieses Einkommen über einem gewissen Schwellenwert liegt. Die Studienfinanzierung ist also von der finanziellen Lage des Elternhauses entkoppelt, nicht aber von der zukünftigen finanziellen Lage der Studierenden selbst.

Studien zeigen, dass die Einführung nachgelagerter Studiengebühren weder in Australien noch in England zu einer größeren Ungleichheit im Hochschulzugang zwischen Kindern aus besser und schlechter gestellten Familien geführt hat. In beiden Ländern haben die Gebühren die Studierendenzahlen sogar erhöht.

Nachgelagerte Studiengebühren sind politisch durchsetzbar

Studiengebühren sind politisch ein heißes Eisen, an dem sich Politiker leicht die Finger verbrennen können. Die Einführung von allgemeinen Studiengebühren wurde nicht nur in Österreich von Studierendenprotesten begleitet. Auch bei unseren deutschen Nachbarn hat der öffentliche Druck auf die Politik dazu geführt, dass die regulären Studiengebühren, die Anfang der 2000er in Höhe mit maximal 500 Euro/Semester eingeführt wurden, kurz darauf wieder abgeschafft wurden.

Im Hinblick auf die Frage der politischen Durchsetzbarkeit liefert das ifo Bildungsbarometer, unsere jährliche repräsentative Bevölkerungsumfrage zur Bildungspolitik, ein weiteres Argument für nachgelagerte Gebühren: Sie haben eine Mehrheit in der Bevölkerung und sind daher politisch umsetzbar. Der Einführung regulärer Studiengebühren steht die deutsche Bevölkerung gespalten gegenübersteht: 44 Prozent sind dafür, 45 Prozent dagegen, der Rest ist unentschieden. Demgegenüber spricht sich eine klare Mehrheit von 62 Prozent für nachgelagerte Studiengebühren aus, nur 26 Prozent sind dagegen.

Auch die österreichische Politik sollte die vielen Vorteile von nachgelagerten Studiengebühren zum Anlass nehmen, ernsthaft über die Wiedereinführung von Studiengebühren in moderater Höhe zu diskutieren. Nicht nur, um den Staatshaushalt zu sanieren, sondern auch, um das Bildungssystem gerechter zu gestalten.

Die Autoren

Philipp Lergetporer ist Professor für Economics an der Technischen Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bildungsökonomik, politische Ökonomie, Finanzwissenschaften und Verhaltensökonomie.

Ludger Wößmann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik. Er ist auch Distinguished Visiting Fellow an der Hoover Institution, Stanford University, und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. Sein hauptsächliches Forschungsgebiet ist die Bildungsökonomik mit Schwerpunkten auf der Bedeutung von Bildung für wirtschaftlichen Wohlstand und den Auswirkungen von Schulsystemen auf Schülerleistungen und Chancengleichheit.

Ludger Wößmann und Philipp Lergetporer
Ludger Wößmann und Philipp Lergetporer

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der ökonomische Blick

Österreichs Kampf gegen die Inflation ist teuer, klimaschädlich und nicht treffsicher

Österreich befindet sich bei Ausgaben gegen die Inflation im Vergleich von 29 europäischen Ländern an fünfter Stelle. Zu einem großen Teil sind die Maßnahmen jedoch kontraproduktiv für die Klimaziele und nicht treffsicher. Wie das in Zukunft verhindert werden könnte.
Der ökonomische Blick

(Was) verlieren Arbeitnehmer, wenn sie ein paar Monate lang nicht arbeiten gehen?

In unserer jüngsten Studie untersuchen wir die Folgen einer vorübergehenden Abwesenheit vom Arbeitsplatz auf die langfristige Lohnentwicklung ungarischer Arbeitnehmer:innen. Und kamen zu zwei wesentlichen Ergebnissen.
Der ökonomische Blick

Wie der Mietpreisdeckel in der Bevölkerung gesehen wird

Unter Ökonomen besteht ein hoher Konsens darüber, dass die aktuell intensiv diskutierten Mietregulierungen ineffizient sind. Doch welche Effekte dieser Maßnahme sind für die Bevölkerung wichtig und für die hohe Unterstützung in der Öffentlichkeit ausschlaggebend?
Der ökonomische Blick

Wie die Corona-Pandemie Österreichs Immobilienmarkt beeinflusst hat

Wie haben sich Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Veränderungen in den Arbeitsbedingungen auf den österreichischen Immobilienmarkt ausgewirkt? Eine Bilanz.
Der ökonomische Blick

Sprache und Integration: Die langfristigen Wirkungen der Schulpolitik

Programme für neu eingetroffene Flüchtlinge und Migranten gelten als besonders erfolgreich, wenn sie einen starken Schwerpunkt auf Sprachtraining setzen. Eine empirische Studie aus den USA legt nun nahe, dass die erzwungene Sprachwahl an der Schule nach hinten losgehen kann.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.